“Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!” – “Dass ich dich besser fressen kann!” Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bette und verschlang das arme Rotkäppchen.
Gebannt schauen mich die großen blauen Augen an und starren dann wieder auf das Bild des Wolfes, der die Haube der von ihm verschlungenen Großmutter trägt. Meine Enkelin kennt das Märchen vom Rotkäppchen aus dem Kindergarten, aber erst die echte, leibhaftige Großmutter (wenn auch ohne Haube) verleiht der Geschichte die volle Dramatik. Hauben- und atemlos lese ich weiter: “…und sie nahm eine Schere und fing an, dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden. Und wie die Großmutter ein paar Schnitte getan hatte, da sah sie das rote Käppchen leuchten, und noch ein paar Schnitte, da sprang das Mädchen heraus und rief: «Ach, wie war ich erschrocken, wie war’s so dunkel in dem Wolf seinem Leib!» Mein Blick wandert triumphierend zu meiner Enkelin – die aber blickt mich erst ein wenig tadelnd, dann großzügig mitleidig an à la «Grossmamas sind alt und kriegen nicht immer alle Erzählstränge in der richtigen Reihenfolge zusammen”. “Momo” (Enkelins Name für mich), “der Jäger hat dem Wolf den Bauch aufgeschnitten, nicht die Großmutter!» Mist, denke ich, diesem Kind macht niemand ein X für ein U vor… Darum schnappe ich sie mir, drücke sie fest an mich und raune mit meiner gruseligsten Wolfsstimme: “Aber ich würde jeden bösen Wolf für dich töten…”
Warum ist das so? Ich spreche hier nur für mich persönlich, denn jede Großeltern-Beziehung ist anders. Aber nichts hat mich in meiner Rolle als Großmutter mehr überrascht als die Wucht der Liebe, die ich für meine Enkelkinder empfinde. Ich will, dass sie sich in jeder Beziehung geliebt und beschützt fühlen. Egal, wie rau die Welt da draußen ist, meine Liebe ist und bleibt bedingungslos und zum Äußersten bereit. Großmutter wird zum GrossmutTerminator, wenn es sein muss: Sie legt sich mit fiesen Mitschülern an, solidarisiert sich gegen die strenge Lehrerin und leidet mit, wenn Papa nach dem Zähneputzen keine Gummibärchen mehr erlaubt. Sie bewahrt kleine Geheimnisse auch unter Androhung von Folter, trägt müde Wanderer huckepack nach Hause (bevor sie selbst zusammenbricht) und würde ihr Leben geben, wenn es darauf ankäme.
Da der Erziehungsauftrag in erster Linie in den Händen der Eltern liegt, ist es meine Aufgabe, über die Generationen-Reihen zu wachen. Ich trage eine Mitverantwortung für ihre innere und äußere Unversehrtheit und das Wohlbefinden meiner Großkinder. Neill Anderson hat einmal drei Grundbedürfnisse eines jeden Menschen formuliert: Das Bedürfnis nach Identität, Sicherheit und Bedeutung. Welche besondere Rolle spielen dabei die Großeltern?
Liebe Eltern, wo immer es möglich ist, nutzt die Kraft der Großelternliebe! Auch wenn das Verhältnis zwischen Großeltern und ihren Kindern nicht immer entspannt ist, bezeichnen Psychologen die Beziehung zwischen Großeltern und Enkeln als “emotional unkomplizierte Form der Liebe”. Wir Großeltern haben einen Schatz zu hüten und weiterzugeben, von Generation zu Generation. Da erwacht der Terminator in uns. Und letztlich kämpfen wir doch alle dafür: dass unsere (Enkel-)Kinder einen guten Weg durchs Leben finden, das kostbare Erbe in sich entdecken und den Staffelstab weitergeben.
Wie war dein Verhältnis zu deinen Großeltern als Kind?
Die eigene Beziehung zu Eltern und Schwiegereltern spielt eine wichtige Rolle für die Beziehung der Kinder zu ihren Großeltern. Wie beeinflusst diese das Verhältnis deiner Kinder zu den Großeltern?
Möchtest du etwas ändern? Wenn ja, formuliere einen konkreten Punkt.