FAMILYLIFE
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Es ist Montagmorgen. Ich bin gerade dabei, das Frühstück vorzubereiten, als meine vierjährige Tochter mit ihrer hohen, sanften, aber dennoch nicht zu überhörenden Stimme fragt: „Mami, wann machen wir endlich wieder Familienrat? Es stehen schon drei Themen von mir auf der Traktandenliste!“ Sofort spüre ich ein Gefühlschaos in mir: Einerseits freue ich mich darüber, dass meine Tochter den Familienrat vermisst – er scheint ihr gut zu tun. Andererseits fühle ich mich gestresst, da ich nun wirklich den Kopf nicht frei habe für solche Diskussionen – schließlich müssen die Kinder zur Schule. Dann überkommen mich auch Versagensgefühle und Scham, denn bei genauerem Überlegen fällt mir auf, dass wir tatsächlich seit drei Wochen keinen Familienrat mehr durchgeführt haben – aufgrund von Urlaub und vollen Wochenenden. Dabei bin ich selbst eine große Verfechterin der regelmäßigen, wöchentlichen Durchführung des Familienrats. Die Tücken des Alltags. Ich nehme mir kurz Zeit, knie mich auf die Höhe meines Kindes und sage: „Danke für die Erinnerung. Es freut mich, dass du den Familienrat vermisst. Du hast recht, ich spreche mit Daddy und wir schauen, dass wir den Familienrat am Wochenende durchführen können.“ Mit einem lächelnden Gesicht und dem Gefühl, ernst genommen worden zu sein, springt mein Mädchen davon, und ich mache weiter, wo ich aufgehört habe.

Es ist Montagmittag. Wir sitzen am Mittagstisch. Unsere Fünfjährige ist genervt. Mit lauter und wütender Stimme sagt sie zu mir: „Mami, du weißt genau, dass ich dieses Essen nicht mag. Wieso kochst du es dann?“ Stille. Sofort gehen am Tisch vier Arme in die Höhe. Vier Handflächen baumeln in der Luft, als ob sich vier Personen zu Wort melden würden. Unsere Fünfjährige schaut von einer Hand zur anderen, ihr Blick ist immer noch wütend. Dann sieht man, wie sich ihre Mundwinkel zu einem angedeuteten Lächeln erheben wollen, doch sie gibt sich alle Mühe, den wütenden Blick zu behalten. In den Gesichtern der anderen vier Personen ist bereits ein Lächeln zu sehen. Es dauert nicht lange, bis auch unsere Fünfjährige den Kampf verliert und sich auf ihrem Gesicht ein zaghaftes Lächeln ausbreitet. Jetzt denkst du vielleicht: Was geht denn in dieser Familie ab? Haben die einen totalen Knall? Ja, auch:) In diesem Fall haben wir jedoch einfach einen Beschluss eines früheren Familienrats umgesetzt. Die Idee stammt von einer Familie, die an einem meiner Familienrat-Kurse teilgenommen hat und die ich später in unserem eigenen Familienrat traktandiert habe.
Das war mein Traktandum: „Kinder, ich habe ein Problem. Mir fällt auf, dass ich immer wieder mit lauter und teilweise auch unschöner Stimme mit euch spreche. Vorwiegend, wenn ich wütend bin. Ist euch das auch schon aufgefallen?” Ein eindeutiges, quasi vierstimmiges „Ja“ ertönt. Ich fahre fort: „Das will ich aber nicht. Ich möchte unbedingt lernen, auch wenn ich wütend bin, mit freundlicher Stimme mit euch zu reden. Das Problem ist nur, dass mir das gar nicht auffällt, wenn ich wütend bin. Könntet ihr mir dabei irgendwie helfen oder mir ein Zeichen geben, wenn das der Fall ist?” Es werden verschiedene Ideen vorgeschlagen; von Zunge herausstrecken bis zum Anstimmen eines Liedes. Wir einigen uns darauf, leise die Hand zu heben. Nun meldet sich Daddy zu Wort: „Mir fällt auf, dass ich dieses Problem auch immer wieder habe. Wie ist das bei euch, Kinder?” Jedem fällt irgendeine Situation ein, in der ein anderer mit lauter oder unfreundlicher Stimme gesprochen hat. Daddy sagt: „Ich denke, wir könnten alle von diesem Zeichen profitieren.“ Allgemeines Nicken. Mami fragt: „Wäre das eine Idee? Wollen wir als Familie lernen, in einem liebevolleren Ton miteinander zu sprechen, auch wenn wir wütend sind?” Wieder nicken alle. Mami: „Oh wow, das freut mich natürlich. Dann machen wir doch ein Familienprojekt daraus!“

Seitdem kommt es in unserem Alltag immer wieder zu den oben beschriebenen Situationen  – leider noch immer häufiger, als wir das möchten. Aber wir sind auf einem guten Weg. Das Schöne daran ist, dass man als Familie ein Projekt hat und sich gemeinsam Ziele setzt. Das macht einfach Spaß. Man geht zusammen einen Weg. Schon etliche Male hat das Handerheben – übrigens auch im Zweier- oder Ehesetting – zu einem Schmunzeln und zur schnellen Entspannung der Situation geführt.

Wo steht ihr in konkreten Alltagssituationen an?
Wo habt ihr als Familie ein gemeinsames Projekt?
Könnte die Einführung eines Familienrats auch in eurer Familie zu mehr Entspannung führen?

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