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„Finde, wer zu dir passt.“ So wirbt eine Online-Partnervermittlung in ihrer aktuellen Kampagne. In kurzen Clips werden Paare gezeigt, die sich beim Marathon, Tanzen, im Sommerregen oder beim Schach begegnen – und verlieben. Diese Werbekampagne greift eine konventionelle Weisheit über Liebesbeziehungen auf: Zwei Personen müssen ähnlich sein, damit sie eine lange und glückliche Partnerschaft miteinander führen können. Das klingt vernünftig, ist aber falsch.

In einer Studie sollten Teilnehmende ihren idealen Liebespartner beschreiben. Als man diese imaginären Traumpartner später mit den Studienteilnehmenden selbst verglich, stellte man fest, dass sie im Grunde sich selbst beschrieben hatten.

In unserer Vorstellung ist unser vermeintlich idealer Partner oft ziemlich ähnlich wie wir selbst. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens betrachten wir uns meist mit einer gewissen Selbstzufriedenheit und fühlen uns deshalb von Menschen angezogen, die uns ähneln. Zweitens erwarten wir weniger Konflikte, wenn unser Partner uns ähnlich ist. Worüber sollte man sich schließlich noch streiten, wenn beide dieselben Interessen teilen und die Welt aus der gleichen Perspektive sehen?

Die Suche nach Menschen, die viele Gemeinsamkeiten mit uns haben, nennt man soziale Homophilie. Wir umgeben uns gerne mit Personen mit ähnlichem Bildungsniveau oder mit den gleichen politischen Ansichten. Und tatsächlich ist es in den letzten Jahren dank Onlinedating leichter geworden, auch bei der Partnersuche einen möglichst guten Match herzustellen. Doch trotz immer ausgefeilterer Apps, die immer kompatiblere (sprich: ähnlichere) Partner vorschlagen, sind Partnerschaften nicht auf breiter Front besser geworden.

Eine gewisse Übereinstimmung in grundlegenden Wertvorstellungen und Lebenszielen ist für eine Beziehung wichtig. Doch zu viel Gleichheit ist definitiv nicht hilfreich. Zwar führt mehr Ähnlichkeit zu weniger Meinungsverschiedenheiten, aber macht weniger Streit eine Beziehung wirklich glücklicher und erfüllter?

Das Zauberwort heißt Komplementarität statt Kompatibilität. Komplementarität bedeutet, sich durch Andersartigkeit gegenseitig zu ergänzen und zu bereichern. Bereits in den 1950er-Jahren hat der Soziologe Robert Winch Paare interviewt und sie anschließend in erfolgreiche und weniger erfolgreiche eingeteilt. Seine Untersuchungen haben gezeigt, dass die glücklichsten Paare die Charaktereigenschaften des jeweils anderen ergänzten. Die Planerin und der Spontane, der Gefühlsbetonte und die emotional Zurückhaltende oder die Optimistin und der Pessimist. Solche Ergänzungen eröffnen neue Horizonte und halten die Beziehung spannend.

Viele Menschen in langjährigen Partnerschaften tappen immer wieder in die Kompatibilitätsfalle. Sie glauben, es wäre einfacher, wenn ihr Partner ihnen ähnlicher wäre. Das Geheimnis liegt jedoch darin, unsere Unterschiede in Komplementarität zu verwandeln. Eine Möglichkeit ist, eine Liste unserer Unterschiede zu erstellen und dann das Positive an dieser nervigen Andersartigkeit des Partners zu notieren. So wird aus einem „Bremsklotz“ jemand, der sich für einen guten Umgang mit unserer Energie einsetzt. Aus einem Freiheitsjunkie wird dann eine Partnerin, die sich dafür einsetzt, dass man sich nicht zusammen in einer Symbiose auflöst und verliert, sondern auch die eigene Individualität wahrt.

Vielleicht wird man nie einen gemeinsam einen Marathon laufen oder Freude an einer gemeinsamen Partie Schach finden. Dafür kann man aber umso mehr voneinander lernen und zusammen mehr erreichen.

Next Level für deine Beziehung
Erstelle eine Liste mit Eigenschaften deines Gegenübers, die sich von deinen unterscheiden. Schreibe zu jeder Eigenschaft, wie sie dich positiv ergänzen oder bereichern kann.

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