Wie viel ist eigentlich genug? Manchmal habe ich das Gefühl, Kinder zu haben, sei ein Projekt. Immer weiter, höher, schneller. Der Alltag ist voller Möglichkeiten, wo uns Direktvergleiche vor Augen geführt werden. Und dann ist er da – der Moment, in dem ich mich selbst und meine Kinder vergleiche. Das andere Kind kann schon bis 20 zählen, parliert wie ein Buch oder kann sich nicht nur im Kreis drehen, sondern auch vorwärts. Der andere Papa hat viel mehr Geduld mit seinen Kindern ist ausgeglichener und lächelt die ganze Zeit…
Und da ist diese leise, fiese Stimme: Sollte mein Kind das nicht auch schon können? Sollte ich das als Papa nicht irgendwie… besser hinkriegen? Willkommen in der Comparison Trap.
Wir vergleichen ständig. Nicht mal absichtlich. Wer schläft ab wann durch? Wessen Kind kann schon mit dem Pedalenvelo die Gegend unsicher machen? Teilt das Znüni im Zwerglisingen, ist ach so sozial und beisst andere Kinder nicht? Oder läuft in der Waldspielgruppe von selbst genug weit und geht schon allein aufs Töpfli?
Warum eigentlich? Weil unser Hirn auf Vergleichen gepolt ist (Social Comparison Theory, falls du beim nächsten Elternapéro mit diesem Begriff glänzen willst). Wir vergleichen uns mit Menschen, die uns (vermeintlich) ähnlich sind. Nun trifft dieser steinzeitliche Reflex auf Social Media, WhatsApp-Gruppen und gut gemeinte «Ach, bei uns ist das ganz anders»-Kommentare und raubt uns unsere Freude.
Wir vergleichen unsere Outtakes* mit den Best-Ofs anderer und wundern uns, warum wir verlieren und einfach nicht genügen… Dabei vergessen wir, dass wir jeweils nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus dem Familienalltag anderer beobachten. Wir malen uns ein Bild von einem harmonietriefenden Alltag mit Kleinkindern (Dabei übersehen wir gekonnt, dass z.B. die vorherige Nacht scheisse war und die Mama ganze 4-mal aufstehen musste. Was? Nur 4-mal?! Das wäre eine spitze Nacht bei uns… Es hört nie auf… Malen mit Zahlen.)
Wir verspüren einen subtilen Druck, wollen als Eltern performen, alles im Griff haben. Haben eine innere Checkliste und eine äusseren Scannerblick. Der Vergleich wird dir nicht nur sagen: «Du bist nicht gut». Sondern: «Die anderen sind besser.» Das ist subtiler. Gemeiner. Und völlig unnötig.
Und es kratzt nicht nur am Selbstwert unserer Kinder – sondern auch an unserem eigenen. Denn oft messen wir nicht nur, was unsere Kinder können – sondern auch, wie gut wir als Eltern sind. Ob wir genug fördern, genug lieben, genug Geduld haben. Das Problem: Es gibt keinen Pokal für Elternschaft. Nur Alltag. Und den übersteht man besser mit Vertrauen als Vergleichen.
Kinder müssen keine Checkliste erfüllen. Sie müssen keine Milestones erreichen. Sie müssen nicht besser, schneller, weiter sein. Aber: Sie spüren es, wenn wir sie durch diese Brille sehen. Wenn unser Blick nicht nur «liebevoll», sondern «vergleichend liebevoll» wird. Und das prägt. Nicht erst in der Pubertät. Schon jetzt.
Doch was wäre, wenn wir…
Meine knapp dreijährige Tochter liebt es, wieder Baby zu spielen und verlangt öfters einen Schnuller (hatte sie früher nicht). Mich nervt das, obwohl ich weiss, dass Rollenspiele für ihre Entwicklung wichtig sind (meiner Schwiegermutter sei Dank). Da komme ich rasch in die Vergleichsfalle. Das raubt mir nicht nur die Freude an unseren Kindern. Es nimmt auch ihnen die Freude an sich selbst. Es macht aus Elternschaft ein Projekt. Und aus Kindern ein Produkt.
Ich will kein performantes Kind. Ich will ein lebendiges. Ein echtes. Ein Kind, das auch im Sommer mit den Gummistiefeln rumlaufen darf. Sonntags ohne Zöpfli ins Kidsprogramm geht, mit einem verdreckten Gelati-Gesicht frech rumläuft (ich muss nicht jeden Kampf kämpfen).
Vielleicht fängt echte Freiheit da an, wo wir sagen: «So wie es ist, ist es gut. Und genug.» Oder wie es Remo H. Largo sagte: «Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht». Und ich möchte ergänzen: «Und wir müssen darauf achten, dass in unserem Garten kein Unkraut wächst». Das Unkraut steht fürs Vergleichen. Unser Garten, unsere Gedanken, unsere Verantwortung.
Vergleichst du gerade – oder beobachtest du nur?
Wem möchtest du eigentlich genügen und warum?
Was tut deinem Kind jetzt gut, unabhängig davon, was andere Kinder tun und können?
Was hast du heute an deinem Kind (und an dir) gesehen, das dich zum Lächeln gebracht hat und dich stolz macht – ganz ohne Benchmark?
*Pannenszenen resp. Szenen, die bei einem Filmprojekt gedreht werden, in der Endversion aber nicht enthalten sind.