„Eine Beziehung zu führen bedeutet im Wesentlichen, die Bedürfnisse der beiden Partner auszubalancieren.“ So denken wir oft über Beziehungen. Wir brauchen auch nicht lange, um Beispiele aus unserem Paaralltag zu finden, die dies unterstreichen. Egal, ob es um die Ferienplanung, Ausgaben oder die Gestaltung unserer Freizeit geht –ständig müssen wir aushandeln, ob wir das tun, was wir wollen, oder was unser Partner möchte. Und natürlich setzt sich dabei jeder für seine eigenen Wünsche ein. Doch das ist nur eine mögliche Sichtweise auf Beziehungen. Und sie ist nicht einmal besonders empfehlenswert.
Eine Beziehung als solches Nullsummenspiel zu betrachten, hat ein paar Nachteile. Diese Sichtweise ist nicht beziehungsfördernd, weil die Partnerin so die Rolle der Gegenspielerin zugewiesen bekommt, deren Wünsche die Erfüllung meiner Wünsche blockieren. Zudem widerspricht sie sowohl wissenschaftlichen Erkenntnissen als auch der christlichen Sicht auf zwischenmenschliche Beziehungen.
Der Apostel Paulus schrieb: „Jeder soll auch auf das Wohl der anderen bedacht sein, nicht nur auf das eigene Wohl. Das ist die Haltung, die euren Umgang miteinander bestimmen soll; es ist die Haltung, die Jesus Christus uns vorgelebt hat.“
Als Jesus sagte, dass Geben seliger sei als Nehmen, formulierte er eine Einsicht, die rund 2000 Jahre später von unzähligen wissenschaftlichen Studien bestätigt wird.
Die Forschung zeigt deutlich: Es macht uns nachweislich glücklicher, wenn wir uns um andere kümmern, als wenn wir uns um uns selbst kümmern. Eine wegweisende Studie der UCLA und der University of North Carolina aus dem Jahr 2013 zeigte sogar, dass es auf Zellebene einen messbaren Unterschied zwischen Menschen gibt, die sich glücklich fühlen, weil ihre eigenen Bedürfnisse erfüllt wurden, und Menschen, die sich glücklich fühlen, weil sie zum Wohlergehen anderer beigetragen haben. Letztere hatten ein gesünderes Zellprofil, erkennbar an einer niedrigeren Entzündungsbereitschaft und einer höheren antiviralen Abwehr. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Glück, das aus dem Fokus auf andere entsteht, objektiv und messbar zu einer besseren körperlichen Gesundheit beiträgt.
Es gibt Menschen, die gelernt haben, sich nicht ständig selbst ins Zentrum ihres Denkens zu stellen. Sie sind glücklicher, weil sie sich nicht dauernd darum sorgen, was andere über sie denken. Und weil sie beobachten können, ohne beurteilen zu müssen.
In einer Beziehung sind solche Menschen oft weniger empfindlich, weil sie das Verhalten ihres Partners nicht sofort auf sich selbst beziehen. Behandelt der Partner sie einmal unfreundlich, kann das einfach daran liegen, dass er einen schlechten Tag hat, und nicht daran, dass sie etwas falsch gemacht haben. Oder wenn er mal keinen Sex möchte, hat das möglicherweise mit ihm selbst zu tun und muss nicht als persönliche Ablehnung verstanden werden. Den Blick stärker auf den Partner statt nur auf sich selbst zu richten, hilft also auch, weniger Dinge fälschlicherweise auf sich zu beziehen und persönlich zu nehmen.
Deshalb ist es sinnvoll, die „Entweder du oder ich“-Brille bewusst abzulegen und stattdessen eine andere Sichtweise auf Beziehungen einzuüben. Eine Sichtweise, bei der man sich weniger darauf fokussiert, dass man selbst auf seine Kosten kommt, sondern stattdessen das Wohl der Partnerin oder des Partners in den Mittelpunkt stellt.