Was könnte in deiner Beziehung anders sein? Überlege es dir mal.
Es ist eine äußerst interessante Frage. Also eigentlich nicht die Frage selbst, sondern die Antworten, die sie hervorbringt. Stellst du zehn Menschen diese Frage, erhältst du zehn verschiedene Antworten. Jemand wünscht sich mehr Zeit zusammen, jemand anders weniger Konflikte, ein weiterer vielleicht mehr Verständnis oder Unterstützung. Doch ziemlich sicher werden alle zehn Antworten etwas gemeinsam haben: Sie alle fokussieren auf etwas, das verbessert werden könnte.
Fast niemandem kommt es in den Sinn, etwas zu erwähnen, das bereits gut ist und theoretisch auch schlechter sein könnte, obwohl die Frage solche Antworten genauso gut zulassen würde. Niemand sagt: „Unsere Kommunikation könnte schlechter sein.“ Aber bestimmt wird jemand sagen: „Unsere Kommunikation könnte besser sein.“
Dieser Mechanismus zeigt sich nicht nur in Beziehungen, sondern in unserem gesamten Leben. Die Frage „Wie könnte dein Leben anders sein?“ generiert überwiegend Vorstellungen davon, wie es besser hätte sein können (sogenannte upward counterfactuals) – deutlich häufiger als Gedanken darüber, wie es schlechter hätte sein können.
Kürzlich habe ich von einer Paartherapie gelesen, in welcher der Therapeut den Mann fragte, was er tun könnte, um seine Ehe an die Wand zu fahren. Der Mann war von dieser Frage sichtlich irritiert und begann nur zögerlich aufzuzählen, was er alles tun oder lassen könnte, um der Beziehung zu schaden. Der Therapeut wollte damit deutlich machen, wie viel Beziehungssubstanz eigentlich noch vorhanden war, auch wenn das Paar selbst den Eindruck hatte, es sei nichts mehr übrig.
Wir sind Problemsucher. Ein großer Teil unserer Aufmerksamkeit richtet sich darauf, wahrzunehmen, was besser sein könnte, statt darauf, was bereits gut ist. Das ist grundsätzlich sinnvoll, denn es ermöglicht uns, zu gestalten und zu entwickeln. In Beziehungen jedoch kann uns diese Tendenz auch mal in die Quere kommen.
Wenn wir unsere Partnerschaft ständig mit einem defizitorientierten Blick betrachten, laufen wir Gefahr, das Gute, das trotz aller Schwierigkeiten vorhanden ist, gar nicht mehr wahrzunehmen oder zu genießen. Wir beginnen, Informationen so zu filtern, dass sie unsere Annahme „es fehlt etwas“ bestätigen. Kleine, neutrale oder sogar positive Ereignisse werden dann leicht übersehen oder abgewertet.
Der permanente Druck, dass noch mehr möglich sein müsste, schadet einer Beziehung oft mehr, als er tatsächlich zu einer Verbesserung beiträgt. Deshalb benötigen viele Partnerschaften heute Entlastung. Unsere Beziehung wird nie perfekt sein, aber vielleicht reicht es ja schon, wenn sie einfach gut genug ist?
Was funktioniert gut bei uns? Wo habe ich mich in den vergangenen Tagen von meiner Partnerin oder meinem Partner gesehen gefühlt? Was könnte schlechter sein? Wenn wir uns regelmäßig solche Fragen stellen, entlastet das unsere Beziehung, weil wir so einen dankbaren Blick auf unsere Partnerschaft einüben und unserer natürlichen Neigung, ausschließlich die „Luft nach oben“ zu sehen, bewusst etwas entgegensetzen.