FAMILYLIFE
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„Magst du noch mit dem Rad zur Besenbeiz am See fahren und dort etwas trinken?“, fragt Stefan.
„Ja, klar“, antwortet Katharina, obwohl sie eigentlich viel lieber zu Hause bleiben und lesen würde.

Ein paar Tage später beim Abendessen:
„Wie war dein Tag?“, fragt Katharina.
„War gut“, sagt Stefan. Tatsächlich ist er gestresst und traurig, weil sein Vorschlag bei der Arbeit abgelehnt wurde.

Und dann, an einem ganz normalen Sonntag:
„Müssen wir über etwas sprechen? Du wirkst sauer auf mich“, sagt Stefan.
„Nein, ich bin nicht sauer“, erwidert Katharina, obwohl sie verletzt und wütend ist.

Drei kurze Szenen, wie sie in jeder Partnerschaft vorkommen. Sie wirken harmlos, fast alltäglich. Doch sie zeigen, wie oft wir einander nicht die Wahrheit sagen. Studien belegen dies. So zeigte eine Untersuchung der University of Massachusetts, dass 60 Prozent der Menschen während eines zehnminütigen Gesprächs mindestens eine Unwahrheit erzählen – durchschnittlich sogar zwei bis drei.

Würde man Katharina und Stefan fragen, weshalb sie einander manchmal nicht die ganze Wahrheit sagen, würden sie antworten, dass sie dies aus Rücksicht auf den anderen tun – um Konflikte zu verhindern, den anderen nicht mit den eigenen Problemen zu belasten oder ihn nicht zu verletzen.

In Wirklichkeit geht es aber oft nicht so sehr darum, den Partner zu schonen, sondern darum, sich selbst nicht in eine unangenehme Lage zu bringen. Wir sagen nicht die Wahrheit, weil wir harmoniebedürftig sind oder weil wir den Mut nicht haben, uns verletzlich zu machen.

Unbestritten verhindern wir so manche Konflikte, wenn wir hier und da eine kleine Notlüge erzählen oder etwas auslassen. Aber wir verhindern damit auch Wachstum und echte Nähe. Langfristig übersteigen diese Kosten der Unehrlichkeit den kurzfristigen Nutzen vermiedener Konflikte bei Weitem.

Deshalb ist es ein guter Vorsatz, auf mehr Ehrlichkeit in der eigenen Partnerschaft hinzuarbeiten. Doch anstatt – wie oft empfohlen – gleich selbst mit mehr Offenheit zu beginnen, schlage ich ein unkonventionelles Vorgehen vor: Zuerst ehrliche Antworten der Partnerin zu suchen. Und sich dabei innerlich zu verpflichten, diese Ehrlichkeit liebevoll zu akzeptieren, ohne beleidigt zu sein oder sich zu verteidigen.

Wenn diese Haltung eingeübt und Teil der Beziehungskultur geworden ist, kann man sich anschließend auch selbst darum bemühen, ehrlicher zu sein. Dabei darf es aber nie darum gehen, dem anderen seine Wahrheit um die Ohren zu hauen, nach dem Motto „jetzt bin ich’s los, jetzt ist es dein Problem“. Ehrlichkeit soll verbinden, nicht verletzen. Es geht darum, Wege zu finden, wie sie Nähe schafft, statt Distanz zu erzeugen. Denn dann wird Ehrlichkeit zu einem Akt der Liebe.

Next Level für deine Beziehung
Lade heute deine Partnerin oder deinen Partner ein, ehrlich mit dir zu sein – und nimm die Aussagen liebevoll an, ohne beleidigt oder abwehrend zu reagieren.

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