„Hauptsache meiner Frau geht’s gut, dann passt das schon. Du weißt schon: Happy wife – happy life.” So schloss ein Bekannter von mir seinen Bericht über das Programm der vergangenen Woche. Es hörte sich nach einer Entschuldigung dafür an, dass es fast nur Aktivitäten enthielt, die seiner Frau Freude machten. Er selbst hatte nicht viel davon. Aber wenigstens gab es so keinen Streit und er musste sich nicht die Beschwerden seiner Frau anhören. Er arrangierte sich mit der Situation.

Es heißt ja auch: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Darin sind viele geübt. Unseren Partner zufriedenzustellen haben wir ziemlich gut drauf. Wir verzichten auf die Erfüllung unserer Bedürfnisse, damit die Bedürfnisse unseres Gegenübers erfüllt werden können und es keine Auseinandersetzung gibt. Manche gehen sogar so weit, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse schon gar nicht mehr wahrnehmen, geschweige denn ansprechen, weil diese realistischerweise sowieso nicht erfüllt werden können und die Partnerin überfordern oder verletzten könnten.

Es ist eine Tatsache, dass viele unserer Bedürfnisse ganz direkt mit den Bedürfnissen des Partners konkurrieren. Wenn beispielsweise meine Partnerin mit ihren Freundinnen ausgehen möchte, ich aber Zeit mit ihr alleine verbringen möchte, steht mein Bedürfnis ihrem Bedürfnis konträr gegenüber.

Wenn wir ständig auf die Bedürfnisse unseres Gegenübers achten, unsere eigenen Wünsche aber nicht äußern, erfüllen wir höchsten den ersten Teil des Liebesgebots „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Das „wie dich selbst“ lassen wir völlig außer Acht. Und wir meinen, dass wir damit unserem Partner und unserer Beziehung etwas Gutes tun. Selbstlos zu sein ist ja schließlich eine Tugend. Aber wie immer macht die Dosis das Gift. Wer seine eigenen Wünsche über Jahre außen vor lässt, wird es irgendwann nicht mehr aushalten und dann wird es zu einem Knall kommen.

Wenn ein Partner seine Bedürfnisse durchsetzt und der andere der Harmonie zuliebe auf die Befriedigung seiner Wünsche verzichtet, entsteht dadurch ein Gefälle in der Beziehung. Je länger das so geht, desto schwieriger wird es, die eigenen Wünsche zu formulieren und desto dominanter wird das Gegenüber wahrgenommen.

In einer auf Gleichwertigkeit ausgelegten Beziehung sollten beide Partner ihre Bedürfnisse zumindest äußern können. Ein Anspruch auf deren Erfüllung besteht natürlich nicht, aber so kann man wenigstens miteinander ins Gespräch kommen, wie nun vorzugehen sei. Und man verhindert damit, dass sich jemand aus lauter Selbstlosigkeit (oder Konfliktscheue) zehn Jahre lang nicht äußert und er oder sie dann „aus heiterem Himmel“ in der Beziehung völlig unzufrieden wird.

 

NEXT LEVEL FÜR MEINE BEZIEHUNG:

In welchen Lebensbereichen schonst du dein Gegenüber und äußerst deine Bedürfnisse nicht?