Mit anderen lernt es sich leichter, schrieb unsere Autorin im letzten Beitrag. Wahrscheinlich boomt deshalb der Weiterbildungsmarkt. Ich bin umgeben von Menschen, die sich gerade weiterbilden. Aber nicht nur Schulen und Weiterbildungsangebote sind gute Orte zum Lernen.
Auch die Familie ist ein guter Lernort. Wir Eltern lernen, erwachsen zu sein. Wir verbringen unsere Zeit nicht mehr damit, uns selbst zu suchen/finden, sondern wir investieren unsere Zeit in unsere Kinder, damit sie sich gut entwickeln können. Dafür werden wir manchmal von anderen bemitleidet (oder bemitleiden uns selbst). Aber eigentlich ist dieses Lernen eine gute Sache. Denn es macht uns zu reifen, mutigen, verantwortungsvollen Erwachsenen.
Lernen ist auch die wichtigste Aufgabe von Kindern. Kinder lernen von Anfang an unglaublich viel: Über 700 neue Nervenverbindungen entstehen im Gehirn eines Babys pro Minute. Sie lernen Sprache, Bewegung, emotionale und soziale Kompetenzen. Eltern haben die Aufgabe, die Kinder in diesem Lernen zu begleiten. Das ist Erziehung.
Beim Lernen lohnt es sich, vom Ende her zu denken: Was sollen meine Kinder gelernt haben, wenn sie erwachsen sind? Was ist uns wichtig und was für eine Familie wollen wir sein? Von Zeit zu Zeit können wir damit überprüfen, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind. Eines unserer Ziele ist: Wir möchten, dass unsere Kinder sich als von Gott geliebte Kinder wissen und lernen, ihr Leben nach seinen Prinzipien zu gestalten.
Es ist auch wichtig, dass wir uns bewusst machen, wer unsere Kinder sind. Sie sind Individuen mit einer unantastbaren Würde. Manchmal ist es schwierig, sie so zu sehen; es gibt Phasen wie die Pubertät oder die Autonomiephase oder wenn… Aber Kinder sind Ebenbilder von Gott und als solche müssen sie noch ganz viel lernen.
Wenn wir unseren Alltag aus dieser Perspektive betrachten, wird schnell klar, dass jeder Tag voller Lernchancen ist; voller Gelegenheiten, Geduld, Frieden, Freude, Dankbarkeit, Liebe, Großzügigkeit, für sich einstehen und sich zurücknehmen usw. zu lernen und zu üben. In vielen Herausforderungen, Auseinandersetzungen und Reibereien geht es genau darum.
Diese Situationen lassen sich nicht vermeiden und wir sollen unsere Kinder auch nicht davon abhalten, sich wie Kinder zu verhalten. Aber unser Blickwinkel bestimmt unser Verhalten – am Beispiel eines handgreiflichen Streits von zwei Kindern um Spielzeug lässt sich das gut veranschaulichen.
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, sich zu verhalten. Reagieren ist die eine. Reagieren heisst, ich gehe dazwischen, trenne die Streithähne und spreche ein Machtwort. So habe ich schnell wieder meine Ruhe. Wenn ich antworte (statt zu reagieren) orientiere ich mich an den langfristigen Zielen und das kostet mich am Anfang sicher mehr. Ich frage nach, was passiert ist, zeige Einfühlungsvermögen und sage: “Deine Gefühle sind in Ordnung, aber wir müssen einen besseren Umgang damit finden. Ich helfe dir dabei, denn Schlagen, Beissen und verbale Beleidigungen sind keine Lösung. Ihr trennt euch jetzt und könnt es in 10 Minuten noch einmal versuchen.”
Das ist ein Ringen um persönliches, aber eben auch geistliches Wachstum von uns allen – und das findet im ganz normalen Alltag statt.
Wann habe ich in den letzten Tagen meine Kinder davon abgehalten, sich wie Kinder zu verhalten? Wie hätte eine Antwort (statt einer Reaktion) ausgesehen?
Welche Perspektive habe ich auf Herausforderungen und Konflikte in der Familie?
Was sind meine langfristigen Ziele und Werte?