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So lautete kürzlich der Titel eines Erziehungsartikels im Migros Magazin. “Warum es wichtig ist, seinen Kindern auch mal Nein zu antworten – und wie es leichter fällt.” war der Untertitel. Letzteres interessierte mich an einem Samstagmorgen vor ein paar Wochen besonders. Am Vorabend war unsere 13-Jährige in ihrer Mädchen-Kleingruppe gewesen. Kurz bevor sie zu Hause hätte sein sollen, rief sie an und fragte, ob sie länger bleiben dürfe als vereinbart.  

Ist das ein Problem? Eigentlich nicht. Oder doch? Ich nehme zwiespältige Gefühle bei mir wahr. Eine Auslegeordnung ergibt Folgendes: Es war nicht das erste Telefonat mit einer solchen Anfrage. Ich habe meiner Tochter keine bestimmte Uhrzeit vorgegeben, sondern sie im Vorfeld gefragt, welche Uhrzeit ihr passt. Ich mag es nicht, wenn getroffene Abmachungen kurzfristig über den Haufen geworfen werden. Es ärgert mich, dass sie scheinbar die Einzige ist, deren Eltern wissen wollen, wann sie nach Hause kommt. Andererseits hängt sie nicht irgendwo herum, sondern verbringt einfach Zeit mit Freundinnen. Und ich möchte nicht kleinlich sein.

Am besagten Freitagabend durfte sie länger bleiben. Ein paar Tage später haben wir darüber gesprochen. Sie weiß, dass es mir wichtig ist, Abmachungen einzuhalten und dass sie zukünftig auf solche kurzfristigen Anrufe verzichten muss. Aber sie kann auch weiterhin – innerhalb bestimmter Grenzen – eigenverantwortlich entscheiden, wann sie nach Hause kommen möchte. Ich habe mich gefreut, als sie am letzten Freitag selbst entschieden hat, wann sie nach Hause kommt – und hinzugefügt hat: “… ohne Verlängerung.”

Und ich? Ich würde mich grundsätzlich als konsequente Person bezeichnen. Zwiespältige Gefühle empfinde ich als mühsam. Der Elternalltag ist voller solcher Situationen und es kann nicht sein, dass wir jedes Mal im Zwiespalt landen. Bei mir rühren diese Gefühle daher, dass ich alles richtig machen möchte und dass ich es anstrengend finde, die Reaktion des Kindes auf ein Nein auszuhalten.

Ich vermute, dass ich damit nicht allein bin. Wann lassen wir die Kinder selbstbestimmt entscheiden? Wie vermitteln wir ihnen wichtige Werte? Was führt dazu, dass sie selbständig und sozial kompetent werden? Nehmen wir die Bedürfnisse der Kinder ausreichend wahr oder übertreiben wir es damit? Diese Fragen zu beantworten, ist wichtig. Sie in jeder noch so alltäglichen Situation zu stellen, ist jedoch erschöpfend. 

Darum zurück zur Frage, wie man leichter Nein sagt oder an einer Abmachung festhält. Indem man sich daran erinnert, dass Kinder von einer stabilen Erziehung profitieren. Kinder sollte man wahrnehmen und ernst nehmen. Ernst nehmen bedeutet jedoch nicht, Wünsche zu erfüllen. 

Der Artikel nennt übrigens fünf Gründe für ein sicheres “Nein”: 

  • Es bietet Lernmöglichkeiten (Abmachungen einzuhalten, bedeutet, andere zu wertschätzen. Man kann nicht alles haben, was man will.)
  • Es bringt Kindern bei, Befriedigung zu verzögern und Geduld zu erlernen.
  • Kinder lernen mit Enttäuschungen umzugehen und alternative Problemlösungen zu finden.
  • Ein “Nein” hilft Kindern, Respekt vor Eltern und anderen Erwachsenen zu entwickeln und bereitet sie so auf die Welt außerhalb des Elternhauses vor.
  • Und manchmal möchte ein Kind tatsächlich ein «Nein» hören. Kinder reagieren positiv auf Eltern, die beständig sind und gebrochene Abmachungen nicht ignorieren.

Es gibt keinen Grund, eine sture Nein-Sagerin zu werden. Aber mit ein paar guten Gründen im Hinterkopf (und im Herzen) lässt es sich besser entscheiden, ob ein “Nein” angebracht ist als mit zwiespältigen Gefühlen. 

Wie oft sagst du nein oder bestehst du darauf, dass Abmachungen oder Regeln eingehalten werden?
Wie geht es dir dabei?
Was bedeutet für dich stabile Erziehung?

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