Stell dir vor, du entdeckst in einer Zeitung ein Inserat für die Teilnahme an einer Paarstudie. Das Thema interessiert dich, du hast noch nie an einer Studie teilgenommen – und 200 Franken Entschädigung klingen auch nicht schlecht. Du überzeugst deine Partnerin oder deinen Partner, und ihr meldet euch an.
An einem sonnigen Nachmittag werdet ihr um 16 Uhr in einen nüchternen Raum an der Universität Zürich bestellt. Nachdem ihr einen Fragebogen ausgefüllt habt, werdet ihr in einen kahlen Warteraum gebracht. Acht Minuten später holt man euch ab und führt euch in getrennte Räume.
Dort wirst du gebeten, eine fünfminütige Rede vorzubereiten, mit der du einen Manager überzeugen sollst, dich einzustellen. Als er nach zehn Minuten kommt, fängst du an. Doch er bleibt regungslos – kein Nicken, kein Lächeln, keine Nachfrage. Nach deinem Schlusswort sagt er nur: «Sie haben noch etwas Zeit, bitte fahren Sie fort.» Dein Herz rast und du fängst an zu schwitzen.
Als die fünf Minuten um sind, kommt die nächste Aufgabe: immer wieder 17 von 2023 abziehen. Du machst Fehler und musst immer wieder von vorne anfangen. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit (tatsächlich waren es nur 5 Minuten) wirst du von dieser Aufgabe erlöst.
Zurück im Warteraum triffst du auf deine ebenfalls gestresste Partnerin oder deinen Partner. Ihr wartet erneut acht Minuten, füllt dann nochmals einen Fragebogen aus. Erst jetzt bekommt ihr das Geld und erfahrt, dass ihr im Warteraum heimlich gefilmt wurdet – um zu untersuchen, wie Paare unter Stress miteinander umgehen.
Dieses Experiment hat tatsächlich so stattgefunden. Nicht immer wurden beide Partner von einem «Manager» gestresst, manchmal auch nur einer von beiden. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass die Paarkommunikation zusammenbricht, wenn einer oder beide gestresst sind. Obwohl der Stress überhaupt nichts mit der Beziehung zu tun hat, verschlechtert sich die Paarkommunikation um 40 Prozent, wenn beide gestresst sind. Die Studie hat auch gezeigt, dass Frauen auch unter Anspannung tendenziell hilfsbereit bleiben – während gestresste Männer mehr Schwierigkeiten haben, ihre Partnerin zu unterstützen.
«Stress demaskiert», sagt der Studienleiter Prof. Dr. Guy Bodenmann. In belastenden Situationen zeigen wir laut ihm jene Seiten an uns, die wir im Alltag meist gut im Griff haben: «Wir zeigen dann all unsere negativen Seiten, die wir normalerweise kontrollieren können.» Unter Druck verhalten sich viele Menschen weniger tolerant, sind schneller reizbar, verschlossener, aggressiver oder stellen sich selbst mehr in den Mittelpunkt.
Wie kann man dieses Wissen nun für die eigene Partnerschaft nutzen? Wenn wir merken, dass wir gestresst sind, sollten wir besonders vorsichtig miteinander umgehen. Oft hilft es, den eigenen Stresspegel zu quantifizieren und als Paar darüber zu sprechen, wie man diese Zeit übersteht, ohne sich gegenseitig zu verletzen und damit dem äußeren Stress noch zusätzlichen Paarstress hinzuzufügen.
Wenn unser Gegenüber gestresst ist, sollten wir auf die Emotionen des anderen eingehen, ohne uns selbst vom Stress anstecken zu lassen. «Man muss in der Stimme hören: Puh, das ist wirklich schlimm, was du erlebt hast, das geht mir auch nahe», sagt Bodenmann. Wenn es gelingt, diese empathische Verbindung herzustellen, kann man als Paar gemeinsam zur Ruhe kommen.