Tom glaubt, dass es eine absolute Wahrheit gibt. Er legt Wert auf Fakten und Tatsachen. Die Dinge sind so wie sie sind, unabhängig davon, was wir davon halten und wie wir uns dabei fühlen. Auch bei Konflikten mit seiner Frau Martina ist es ihm ein Anliegen, zuerst einmal den Sachverhalt richtigzustellen.

Es macht nämlich einen Unterschied, ob sie zuerst dieses oder er zuerst jenes gesagt hat. Meistens sind sie sich nicht einig, was genau vorgefallen ist. Beide sind überzeugt von ihrer Version der Geschehnisse. Es macht Tom wahnsinnig, dass Martina nicht weiß, wie es wirklich war und ständig die Tatsachen verdreht.

Wenn sich Tom und Martina also streiten, dann nicht nur über das eigentliche Problem, sondern immer auch noch darüber, was genau passiert ist und wessen Wahrnehmung stimmt. Das führt jeweils zu nichts, abgesehen von der gegenseitigen Frustration. So kommen sie nicht weiter, sie sind in einer Sackgasse gelandet.

Tom realisiert das und nimmt sich vor, sich zukünftig weniger auf die „objektive Wahrheit“ zu berufen. Er hat realisiert, dass in einer Partnerschaft viele Gefühle involviert sind, und deshalb beide eine verzerrte und einseitige Sicht der Wahrheit haben. Deshalb ist es auch unsinnig, darüber zu streiten, wie etwas wirklich gewesen war. Es zählt, wie es Martina erlebt hat und wie es Tom erlebt hat. Wie es tatsächlich war, ist nicht entscheidend.

Es gelingt Tom, immer mehr aus diesem Kampf um die Wahrheit auszusteigen. Er lässt Martinas Wahrnehmung stehen, auch wenn er eine Situation ganz anders wahrgenommen hat. Jetzt müssen die beiden nicht mehr ständig die Zuverlässigkeit ihrer Wahrnehmung und damit letztlich ihre geistige Gesundheit verteidigen. Es entspannt ihre Beziehung und ist ein Befreiungsschlag für sie als Paar.

Toms Erkenntnis bedeutet nicht, dass es keine absoluten Wahrheiten gibt. Philosophische Strömungen wie der radikale Konstruktivismus, der besagt, dass es gar keine objektiven Wahrheiten gibt und wir unsere Wirklichkeit nur konstruieren, lehnt er nach wie vor ab. Es gibt eine Realität, die unabhängig von der menschlichen subjektiven Wahrnehmung existiert.

Doch wenn immer es um zwischenmenschliche Beziehungen geht, ist es nicht hilfreich, um die Wahrheit zu kämpfen. Es gilt vielmehr, die beiden unterschiedlichen Wahrnehmungen als gültig zu akzeptieren und von dort aus dann eine Lösung zu finden.

 

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Akzeptierst du die Wahrnehmung deines Gegenübers oder kämpfst du bei Paarkonflikten noch um die Wahrheit?