Die Beziehung von Jessica und Jonas wird gerade kräftig durchgeschüttelt. Jonas kann sich nicht recht erklären, was da abgeht. Er ist ein hilfsbereiter, zuvorkommender und rücksichtsvoller Ehemann. Er hat alles dafür gegeben, dass es seiner Frau gut geht und sie glücklich ist. Und meistens gelang ihm dieses Kunststück auch. Aber jetzt scheint es ihm, als wolle Jessica seine Hilfe und seine Liebe nicht mehr annehmen. Das belastet ihn sehr und er fürchtet um ihre gemeinsame Zukunft.

Jessica hat sich schon immer einen Mann gewünscht, der sie und ihre Bedürfnisse in den Vordergrund stellt. Der ihr hilft und sie wie eine Prinzessin behandelt. Mit Jonas hat sie ihren Prinzen gefunden. Doch da war etwas in ihrer Beziehung, dass so nicht in ihren Vorstellungen vorgekommen war.

Je länger ihre Ehe dauerte, desto mehr schien es, als würde Jonas alles gelingen. Und je höher seine Flughöhe, desto tiefer tauchte Jessica. Für vieles brauchte sie seine Hilfe, welche er auch immer bereitwillig anbot. Egal ob eine Kaffeemaschine repariert, ein neues Handy gekauft, eine Entscheidung getroffen oder mit der Tochter ein ernstes Wörtchen geredet werden musste, er sprang gerne für sie ein.

Das entscheidende Ereignis geschah an einem Freitagabend im September. Sie hatten gemeinsame Freunde zum Abendessen eingeladen. Jessica klagte bei ihrem Mann darüber, dass sie so müde war und keine Lust auf Gäste hatte. Da bot Jonas ihr an, dass er die Freunde kurzfristig wieder ausladen könne. Weil sie nicht recht wusste, ob sie das wollte, sagte sie ihm, er solle doch entscheiden. Er lud die Freunde aus.

In dieser Nacht brachte Jessica trotz großer Müdigkeit kein Auge zu. Ihre Gedanken kreisten weniger um die ausgeladenen Freunde als darum, dass sie nicht selbst entscheiden und den Freunden absagen konnte. All das musste ihr Mann für sie tun. Sie fühlte sich schlecht und unfähig. Ihr wurde bewusst, dass sie so nicht mehr weitermachen wollte. Sie hatte es satt, dass sie nichts mehr auf die Reihe kriegte. In diesen schlaflosen Stunden nahm sie sich vor, wieder selbstständiger zu werden.

Von einem Tag auf den anderen wollte sie sich nicht mehr ständig von ihrem Mann helfen lassen. Das brachte die ganze Beziehung ins Wanken. Denn genauso wie Jessica davon gelebt hatte, dass ihr jemand hilft und sie glücklich zu machen versucht, hatte Jonas davon gelebt, dass er jemandem helfen und jemanden glücklich machen kann. Das gab ihm ein Gefühl der Stärke und Macht. Denn sie war ja für verschiedenste Dinge auf seine Hilfe angewiesen und er hatte es in der Hand, ob er ihr helfen wollte oder nicht.

Dass sich Jessica verändert und selbst Verantwortung für ihr Leben übernimmt, ist die ultimative Bedrohung für Jonas. Denn wer seine Stärke daraus gewinnt, dem anderen helfen zu können, hat natürlich kein Interesse daran, dass der andere Fortschritte macht und nicht länger hilfsbedürftig bleibt.

Wer seinem Gegenüber Dinge abnimmt, die er oder sie als erwachsene Person selbst könnte, muss seine Motive prüfen. Handelt es sich um eine wechselseitige Unterstützung oder wird da vom immergleichen Helfenden ein System aufgebaut, das zu einer ungesunden Abhängigkeit und einem Gefälle in der Beziehung führt?

 

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Wechselseitige Unterstützung oder ungesunde Abhängigkeit: In welche Richtung entwickelt sich eure Partnerschaft?