Verliebte reagieren auf Fotos ihrer Liebsten gleich wie Kokainsüchtige auf Bilder ihrer Droge. Das konnten die beiden Neurobiologen Zeki und Bartels 2001 in einem Versuch nachweisen. Wenn wir verliebt sind, stehen wir unter dem Einfluss eines heftigen Hormoncocktails.

Was genau Serotonin, Oxytocin, Dopamin und Co. alles bewirken, ist noch nicht restlos geklärt. Auf jeden Fall helfen diese Botenstoffe aber beim Aufbau einer stabilen Partnerschaft. Im Rausch der Liebesdroge suchen wir alles, was uns als Paar verbindet. Wir passen uns den Wünschen und Erwartungen unseres Gegenübers an. Wenn es ihn beispielsweise bei jeder Andeutung eines Sonnenstrahls nach draußen zieht, geht sie einfach mit, auch wenn sie eigentlich eine Stubenhockerin ist. Und plötzlich ist es ihm egal, dass er, wenn er ehrlich wäre, seine Abende lieber anders als sie verbringen würde. Ja, sogar grundsätzlich andere Lebensentwürfe scheinen kein Hindernis mehr zu sein. Die eigenen Wünsche rücken so weit in den Hintergrund, dass man sie manchmal selbst aus den Augen verliert.

Zu dieser Art der Selbstaufgabe gehört schließlich auch, dass man alles ausblendet oder vermeidet, was trennend wirken könnte. So werden Meinungsverschiedenheiten elegant umgangen, indem man sich einfach dem anderen anpasst. Leider geht so aber auch der persönliche Beitrag verloren, den wir als Individuum in unsere Partnerschaft einbringen könnten.

Die Verliebtheit führt zu einer Selbstaufgabe, die so weit übers Ziel hinausschießt, dass sie nicht aufrechterhalten werden kann. Ich nenne es die „nicht durchzuhaltende Selbstaufgabe“. Es ist vergleichbar mit einem Gummiband, das immer mehr gespannt wird. Mit jeder Anpassung an den Partner wird es noch etwas mehr auseinandergezogen. Aber irgendwann wird das Gummiband entweder zurückschnellen oder mit einem Knall zerreißen.

Das Zurückschnellen entspricht dabei einer Krise, die die meisten Paare irgendwann in ihrer Beziehung durchlaufen. Bei den einen geschieht es nach wenigen Jahren, bei anderen nach Jahrzehnten. Es geht in dieser Krise darum, neu auszuhandeln, was wir alles für unser gemeinsames Leben aufgeben, wo wir uns anpassen und welchen Interessen wir trotzdem nachgehen, auch wenn wir sie nicht teilen. Wie schaffen wir Platz für unsere eigenständigen Persönlichkeiten und wie pflegen wir das Gemeinsame?

Weitaus schlimmer als das Zurückschnellen ist, wenn das Gummiband reißt. Das passiert, wenn einer der Partner die Nase so voll von der Selbstaufgabe hat, dass er von heute auf morgen ins andere Extrem kippt. Plötzlich hört das Zurückstellen der eigenen Individualität komplett auf und er bricht aus.

Damit es nicht so weit kommt, hilft es, als Paar im Gespräch über Gemeinsames und Individuelles zu bleiben. Und wer von Zeit zu Zeit kleinere Konflikte über die Gestaltung der Partnerschaft austrägt, trägt dazu bei, dass es nicht zum großen Knall kommt und sich jemand ganz aus dem zu eng gewordenen Korsett befreien muss.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:
Habt ihr ein gutes Gleichgewicht zwischen Anpassung und Individualität?