Für Mäusekinder ist es traumatisch, wenn man die Tierchen jeden Tag für drei Stunden von ihrer Mutter trennt. Kein Wunder, dass sie als ausgewachsene Tiere auffällig sind: depressiv, asozial und übertrieben risikofreudig.

Interessant wird es, wenn man die Kinder und Enkel dieser Mäuse betrachtet. Auch wenn sie ganz normal aufwachsen, weisen sie die gleichen Verhaltensauffälligkeiten wie ihre Eltern auf. Der Schluss liegt nahe, dass sie dieses Verhalten ihren Eltern abschauen. Doch das scheint nicht zu stimmen.

Um auszuschließen, dass die Mäuse das Verhalten ihrer Vorfahren einfach nachahmen, ließ sie das Team um die Zürcher Hirnforscherin Prof. Dr. Isabelle Mansuy von unbelasteten Pflegeeltern großziehen. Doch auch dann litten die Mäuse noch an den gleichen Störungen wie ihre leiblichen Eltern und Großeltern.

Traumatische Erfahrungen werden also nicht nur übers Verhalten weitergegeben, sondern auch über die Gene vererbt. Mansuy schreibt dazu: «Traumata schreiben sich direkt ins Genom ein. Sie verändern Stoffe, die die Aktivität der Gene beeinflussen. Wir fanden diese Stoffe etwa im Sperma von Mäusen; vermutlich werden sie darüber an die nächste Generation weitergegeben. Allerdings: nicht zwangsläufig. Und vor allem: wahrscheinlich nicht für immer. Denn erstens verlieren sich – so unsere Erkenntnis – nach vier oder fünf Generationen die Symptome. Und zweitens kann man offenbar gegensteuern, lassen sich positive Veränderungen gezielt entwickeln. Denn wuchsen unsere Mäuse in einem besonders sozialen und stressfreien Umfeld auf, nahmen die Symptome wieder ab.»

Natürlich können die Ergebnisse nicht direkt von Mäusen auf Menschen übertragen werden. Doch erste Studien deuten darauf hin, dass dieses Phänomen auch bei Menschen auftritt.

Aus der Bibel ist das Konzept von «Generationenflüchen» und «Generationensegen» schon seit Jahrtausenden bekannt. Die aktuelle Forschung im Gebiet der Epigenetik scheint nun zu bestätigen, dass unser Leben das Leben unserer Kinder und Enkel noch stärker prägt als bisher angenommen und dass wir nicht nur Eigenschaften, sondern auch Erfahrungen genetisch an die nächste Generation weitergeben.

Das sollten wir uns auch für unsere Ehe vor Augen halten. Wie wir als Ehepaar miteinander umgehen, hat enormen Einfluss auf die Partnerschaften von Personen, die uns nahestehen. Wenn es uns gelingt, eine tiefe Freundschaft zu bauen und beziehungsstärkende Rituale in unserem Alltag zu verankern, tun wir damit nicht nur uns selbst einen Gefallen, sondern auch unseren Kindern und ihren Kindern.

Das Schlusswort gehört nochmals Prof. Mansuy: «Unsere Erkenntnisse helfen zu verstehen, dass wir nicht nur das Ergebnis genetischer Zufälle sind. Das Leben hat einen Einfluss auf einen Menschen und dessen Kinder und Kindeskinder. Darin liegt ein Risiko, aber auch eine große Chance.»

 

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