Loben zieht nach… ja in welche Richtung denn eigentlich? Was in meinem Glaubensleben in der Regel nach oben zieht, ist in der Kindererziehung umstritten. Ich war skeptisch, fühlte mich vielleicht auch leicht angegriffen. Schließlich könnte die Kritik am Loben meinen Erziehungsstil in Frage stellen. Oder meinen Optimismus und meine Begeisterung für so vieles im Leben ganz grundsätzlich. Doch inzwischen habe ich mich mit dem Nicht-Loben angefreundet.

Auf die Fährte brachte mich vor ein paar Jahren ein Artikel in einer Elternzeitschrift. Es ging darum, dass wir die Zeichnungen unserer Kinder nicht loben sollten. Unsere damals zwei kleinen Söhne waren Viel-Zeichner. Und ich entsprechend Viel-Lobender.

Ich regte mich auf. Noch ein Artikel mehr, der mir etwas verbot und erklärte, was ich als Papa falsch machte. Bei genauerem Hinschauen machte mich die Kritik jedoch neugierig. Sie packte mich damals nicht in erster Linie als Papa, sondern als Kreativer. Die Grundaussage: Loben schränkt die Kreativität von Kindern ein, weil es bewertet.

Kinder wollen nämlich gefallen. Wenn sie also merken, dass etwas honoriert wird, werden sie sich anpassen (und womöglich sogar einschränken).

Loben schränkt die Kreativität von Kindern ein, weil es bewertet.

Ich begann mein Loben zu hinterfragen: Weshalb sage ich eigentlich «Wow, toll gemacht»? Weil ich froh bin, dass mein Kind sich für eine Viertelstunde vor einem Blatt vertieft und ich meine Ruhe habe? Oder weil ich es auf keinen Fall kränken möchte, weil es offensichtlich noch keine Anatomie-Klasse besucht hat und das Figürchen auf dem Blatt eher als Kartoffel denn als Mensch durchgehen würde?

Kinder wollen nicht bewertet, sondern auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Und ich für meinen Teil möchte nicht dasselbe Haus und denselben Regenbogen in tausendfacher Ausführung bestaunen (und womöglich noch unfreiwillig aufhängen) müssen.

Seit ich mich zum Beispiel einfach nonverbal freue und mich aktiv dazustelle, wenn meine Kids zeichnen oder Dinge frage wie «Willst du mir zu deinem Bild etwas erzählen?», verblüffen mich gewisse Kreationen tatsächlich mehr. Und unsere Konversationen darüber, was sich da auf den Papieren alles abspielt, wurden ausgiebiger. (Wer kam eigentlich auf die Idee, dass ein Bild zwingend «schön» sein muss? Ich finde «ausdrucksstark», «ungewohnt» oder «irritierend» ebenso spannend.) Dasselbe gilt zum Beispiel auch für die Gespräche über Fußball mit unserem Ältesten. Seit ich ihn nicht mehr für einen Sieg oder die Anzahl geschossener Tore lobe, sondern mich dafür interessiere, wie er das Spiel fand, staune ich, wie reflektiert ein 8-Jähriger sein kann. Und wir beide «teilen» ein gemeinsames Interesse mehr.

Generell fällt mir auf, dass die Beziehung zu meinen Kindern vielseitiger und spannender wird, wenn ich weniger lobe. Und dass weniger Bedingungen* im Raum stehen. Das macht alltägliche Rituale wie das Zubettgehen mit vier Kindern zwischen 3 und 8 nicht weniger anstrengend. Oft finde ich mich doch wieder im Hamsterrad von Loben und Bestrafen. Aber es ist generell weniger «du, da, gut» und «das, dort, schlecht», weniger «wenn, dann…». Im Großen und Ganzen bleiben uns mehr Zeit zum Sein und mehr Zufriedenheit am Ende des Tages.

Ja, ich lobe immer noch. Inzwischen jedoch deutlich weniger und wenn, dann bewusster. Dafür bin ich den Lobkritikerinnen und -kritikern dankbar. Das haben sie wirklich gut gemacht! ; -)

 

Wie denkst du über das Loben und wie lobst du deine Kinder?

 

* Bedingungslose Elternliebe ist das Kernanliegen des nicht unumstrittenen Anti-Lobers Alfie Kohn, der derzeit in aller Munde ist. Und auch bei Erziehungspapst schlechthin, Jesper Juul, wird fündig, wer seine Lobesmuster unter die Lupe nehmen will. Er findet das Loben dann problematisch, wenn es in Liebeserklärungen verpackt wird.

 

Jonathan Schmidt ist verheiratet mit Angela. Zusammen haben sie vier Kinder im Alter von 3 bis 8 Jahren.

 

Er ist Musiker und leitet CENTRAL ARTS, eine Bewegung von Kreativen in der populären Kunst.