Acht Wochen sind eine lange Zeit. Der Wechsel von «normal» zu «Corona» war abrupt, aber nun haben wir uns an vieles gewöhnt. Home-Office, Fernunterricht und Familienzeiten ohne Ende – vieles davon haben wir schätzen gelernt und der Gedanke, dass vielleicht schon bald wieder alle Familienmitglieder auβer Haus und unterwegs sein werden, ist merkwürdig.

Heute Morgen ist für eines unserer Kinder das Homeschooling zu Ende gegangen. Ein neuer Corona-Abschnitt hat begonnen, the new Normal, wie es eine Arbeitskollegin nannte. Weil zwar etwas Bekanntes wieder Teil des Alltags sein darf, aber doch ganz viele Parameter anders sind.

Ich habe sie neu kennengelernt, mich gefreut über ihren Witz, ihre Gedanken und ihren Beitrag zum Familienleben.

Wie immer, wenn etwas Neues beginnt, spüre ich neben Neugier auch Trauer. Wenn etwas zu Ende geht, heiβt es Abschiednehmen. Es ist ein Abschied von einer intensiven Zeit mit meiner Jüngsten, die sich während dieser Wochen hauptsächlich um mich herumbewegte und enge Begleitung beim Fernunterricht benötigte. Ich habe sie neu kennengelernt, mich gefreut über ihren Witz, ihre Gedanken und ihren Beitrag zum Familienleben. Mein Blick auf alle drei Kinder ist ein anderer geworden. Es ist unglaublich spannend und ein Vorrecht, mit ihnen unterwegs zu sein. Ab und zu verspürte ich in den letzten Wochen Glücksgefühle. Wenn so vieles wegfällt, gewinnen die kleinen Dinge an Bedeutung. Wir haben als Familie eine Nähe geschaffen und geschafft, die wir vorher selten hatten. Ich helfe mir selbst beim Abschiednehmen, indem ich mir die wertvollen Dinge noch einmal vor Augen halte.

So wie ich nie freiwillig einen Marathon absolvieren würde, wünsche ich mir auch die Lockdown-Zeit nicht zurück.

Um dann ganz bewusst bei den anderen Dingen zu landen. Die gab es nämlich auch. Es war anstrengend und intensiv. Ich erinnere mich an die groβe Müdigkeit der ersten Tage. An die Überforderung, alles unter einen Hut zu bringen. An meine anfangs fast wöchentlichen emotionalen Taucher, die natürlich auch mit meiner Müdigkeit zusammenhingen. Daran, wie ich mir Zeiten allein erkämpfen musste und mir Zeit sowieso an allen Ecken und Enden fehlte. Und an die herausfordernden Gespräche mit meiner Ältesten, die ihre Schule vermisst und deren Matura abgesagt ist. Oder den manchmal übermächtigen Wunsch, die Eltern / Groβeltern wieder einmal in die Arme zu schlieβen.

Ich will ehrlich sein: So wie ich nie freiwillig einen Marathon absolvieren würde, wünsche ich mir auch die Lockdown-Zeit nicht zurück. Aber: Diese Zeit hat etwas mit uns gemacht und uns geprägt. Und sie ist vermutlich noch lange nicht zu Ende.

Was mir wichtig geworden ist, ist für ein Leben mit oder ohne Corona anwendbar. Aber praktisch bewährt es sich eben gerade jetzt:

  • Abschied und Neuanfang gehören zum Leben. Und Abschied nehmen ist wichtig, um versöhnt und ohne Altlasten etwas Neues in Angriff nehmen zu können. Das war vor acht Wochen so, als wir unvermittelt in den Lockdown stolperten und gilt auch für zukünftige Veränderungen. Es hilft uns Eltern und den Kindern, wenn wir als Familie über diese Ãœbergänge sprechen.
  • «Dein Wort ist meines Fuβes Leuchte und ein Licht auf meinem Weg.» Der Vers (Psalm 119, 105) stammt aus einer Zeit, in der die Lichtquellen deutlich schlechter waren als heute. Ich stelle mir vor, wie nur ein kleiner Lichtkegel den nächsten Schritt eines Wanderers erleuchtet hat. Wandern auf Sicht ohne zusätzliche Hilfsmittel. Nun bezieht sich der Vers nicht auf eine Nachtwanderung sondern auf Worte, die Gott spricht. Wir haben hoffentlich immer noch Träume, Ziele und Hoffnungen für die nächste Zeit. Aber vorerst scheint mir, ist Gehen auf Sicht angesagt. Darin liegt eine gewisse Spannung. Unsere Sicht auf die nächste Zukunft wird auf alle Fälle besser und heller, wenn wir sie von Gott erhellen lassen.
  • Weil mir Warten und Ausharren schwerfallen, bin ich froh, dass mir folgender Satz aus der Bibel (1. Samuel 10, 7) begegnet ist: «Tu, was dir vor die Hand kommt, denn Gott ist mit dir.» So einfach!

Damit lassen sich die nächsten Schritte gehen. Ich nehme Abschied von den letzten acht Wochen und höre auf, die Märztage zu zählen. Es ist jetzt Mitte Mai.

 

  • Die letzten Wochen waren geprägt von Umstellungen und damit auch von Gelegenheiten, Abschied zu nehmen: Abschied vom Alltag vor dem Lockdown, vom alles selbst gestalten können, von Idealvorstellungen bezüglich Familienleben, von der Selbstverständlichkeit von Beziehungen… Wie hast du es mit Abschied nehmen? Fällt es dir leicht? Oder eher schwer?
  • Wovon habt ihr in den letzten Wochen Abschied genommen?
  • Was durftet / musstet ihr neu anpacken?

Alexandra Kämpf ist verheiratet mit Richard. Zusammen haben sie drei  Töchter im Alter von 7 bis 18 Jahren. Mit Homeoffice und Homeschooling hat sie Neuland betreten.

Sie arbeitet bei FAMILYLIFE und verantwortet dort die Ehe- und Elternkurse.