In den vergangenen zwei Jahren verloren meine Frau und ich beide unsere Mütter. Während es bei meiner Mutter absehbar war, starb meine Schwiegermutter für uns völlig unerwartet eines Nachts an einem Herzversagen. Vor einigen Wochen jährte sich ihr Todestag. Als Familie nutzten wir diese Gelegenheit, um zusammenzukommen und uns an sie und das, was wir von ihr gelernt haben, zu erinnern. 

Ich hatte das Privileg, meine Schwiegermutter zehn Jahre zu kennen. Ich habe selten einen Menschen kennengelernt, der so für einen (da) war, der das Glas halb voll sah und immer ein aufmunterndes Wort für einen hatte. Auch für uns als Familie mit drei kleinen Kindern war sie durch ihre unkomplizierte Hilfe hier und da eine große Entlastung.

Der Kontrast zu meiner eigenen Familie hätte nicht größer sein können. Mein Verhältnis zu meiner Mutter war spannungsgeladen und vom Gefühl geprägt, es ihr nur punktuell recht machen zu können. Ich konnte mir sehr viel Mühe geben; es reichte nie. Ich fühlte mich von ihr nicht angenommen und geliebt. Es gab keine Worte der Ermutigung oder einfach mal ein Kompliment – weder für das, was ich tat, noch für das, was ich war und bin. 

Jetzt sind wir selbst Eltern von drei Kindern, die wir erziehen und in die Selbstständigkeit begleiten dürfen. Unsere Kinder sind wunderbar, und wie alle Kinder haben sie Ecken und Kanten und machen natürlich nicht immer das, was wir uns wünschen würden. Es hapert beim Aufräumen, das Essen schmeckt nicht oder das Programm passt nicht – wer kennt das nicht? Das sind normale kindliche Verhaltensweisen. Aber es spielt eine Rolle, wie wir in solchen Momenten auf die Kinder reagieren.

Denn im Rucksack haben wir unser Elternhaus; meine Frau ein ermutigendes und freisetzendes, und ich ein kontrollierendes und klein-haltendes. Unsere eigene Herkunft kommt uns immer wieder positiv oder negativ in die Quere. Wegen meines Rucksacks und weil wir als Eltern einen großen Einfluss auf unsere Kinder haben und darauf, mit welchem Grundgefühl sie jetzt und später durchs Leben gehen, widersetze ich mich bewusst meinem inneren Reflex, den Kindern Anpassung und blinden Gehorsam abzuverlangen.

Meine Kinder dürfen sein. Und ich auch!

Wir entscheiden uns immer wieder dafür, dass unsere Kinder sein dürfen – so wie sie sind. Sie dürfen neugierig die Welt entdecken, wir Eltern setzen die Leitplanken und stehen ihnen ermutigend zur Seite. Und zusammen mit ihnen wollen wir das Glas immer wieder halb voll sehen. Meine Frau hat es da mit ihrem guten Vorbild viel leichter als ich. Aber auch ich sage mir immer wieder: Meine Kinder dürfen sein. Und ich auch!

Welche Prägungen deines Elternhauses beeinflussen dein Elternsein positiv? Welche negativ?
In welcher Situation kannst du deinem Kind in den nächsten Tagen vermitteln, dass es sein darf? Z. B. langsam beim Aufräumen, schlecht gelaunt vor dem Essen, unruhig beim Einschlafen oder Autofahren etc. 

Felix Rechsteiner ist verheiratet mit Regula. Sie haben drei Kinder im Alter von 7, 5 und 3 Jahren.

Felix arbeitet in der Administration eines Ingenieur-Büros.