Es ist Sonntagmorgen und unsere Jüngste liegt seit gut zwei Stunden in ihrem Zimmer auf dem Bett und vertreibt sich die Zeit mit Lesen und Malen. Dazu lässt sie sich von Hörspielen auf Papa’s Handy unterhalten. Ich lasse sie gewähren, denn mein Mann liegt mit Fieber im Bett und ich genieße es, ganz in Ruhe eine erste Tasse Kaffee zu trinken und wach zu werden. Weil ich später den Gottesdienst besuche (kein Kinderprogramm), gibt es nach dem Frühstück noch mehr Berieselung durch Hörspiele. Erst viel später fällt mir ein, dass das Kind im Moment ja ein Medienprotokoll für die Schule führt. Tja, da wird dann was drin stehen!

So faul und planlos wie der Tag begonnen hat, geht er auch weiter. Jeder wurstelt irgendwie für sich. Regeneration ist angesagt. Ich koche und wir essen gemeinsam. Mein Mann verbringt auch den Nachmittag im Bett. Selbst werde ich langsam unruhig. Nachdem ich das vorhergehende Wochenende im Bett verbracht habe, verspüre ich das Bedürfnis nach Bewegung, habe aber leider keine Energie, meine Kinder zu einem kleinen Ausflug zu motivieren. Der Widerstand gegen meine guten Ideen ist sowieso schon im ganzen Haus spürbar, noch bevor ich sie überhaupt erwähne. Ohne Verstärkung durch meinen Mann mag ich mich dem nicht aussetzen. Also findet mein Solo-Sonntag seine Fortsetzung. Ich mache eine kleine Wanderung auf einer nahegelegenen Jurahöhe und runter ins Mittelland. Meine Familie bleibt sich selbst überlassen. 

Als ich nach Hause komme, sind zwei Kinder in der Küche daran, Cookies zu backen. Mein Mann liegt mittlerweile auf dem Sofa und erholt sich vom Fussballspielen mit der Jüngsten. Hat er tatsächlich mit Fieber Fußball gespielt?! Aber es scheint allen den Umständen entsprechend gut zu gehen.

Am Abend auf dem Sofa – ringsum ist es still geworden – werde ich selbstkritisch: Hätte ich nicht viel mehr mit unserer Jüngsten machen sollen? Sie fordern und fördern sollen? Die kostbare Zeit am Sonntag nutzen und zum Beispiel eine kurze Andacht gestalten? Oder sie auf eine kurze Wanderung mitnehmen, weil Bewegung wichtig ist? Mit ihr gemeinsam kochen?

Immer noch ein bisschen besser werden, noch ein bisschen mehr rausholen aus allem – auch in der Familie.

Meine innerer Kritiker fährt unbeirrt weiter: Eigentlich müsste ich die Zeit doch viel besser nutzen! Carpe diem, oder etwa nicht? Immer noch ein bisschen besser werden, noch ein bisschen mehr rausholen aus allem – auch in der Familie. Zeit einfach so verplempern am Sonntag und die Kinder in ihren Zimmern grümscheln lassen, bis sie von selbst wieder zum Vorschein kommen – das geht doch nicht. Der Trend zur Selbstoptimierung hat auch vor mir und unserer Familie nicht Halt gemacht. Selbstoptimierung auf christlich und bezogen auf’s Familienleben – alles geht, man muss nur wollen. Wenn wir nichts tun oder die Kinder nichts tun lassen, haben wir ein schlechtes Gewissen.

Ich merke, da ist in meinem Innern etwas in Schieflage geraten. Ich suche und finde Entlastung und Korrektur bei Thomas Sjödin. Er schreibt: “Die Ruhe ist in Verruf geraten.” Dann beschreibt er, wie er regelmäßig auf der Küchenbank, auf der schon sein Vater und Großvater gelegen haben, liegt: “Je länger ich hier liege, desto wichtiger erscheint es mir. Auf gewisse Weise vertieft sich hier das Leben. Zuerst spürt man nur die Entspannung, man lässt sich fallen, lässt los. Aber während ich entspanne, spüre ich, dass auf einer anderen Ebene etwas passiert, dass an diesem Ort auch etwas wächst. Mein innerer Mensch “streckt sich”. Ich bleibe eine Weile liegen, und meine Gedanken gehen über in ein Gebet, ein Gebet für die Menschen, die ich am meisten liebe. … Plötzlich ahne ich, dass die Küchenbank mehr als ein Ruheplatz ist. Sie ist auch ein Fluchtfahrzeug, eine Rettungsplanke. Ich liege hier und rette Leben.”

Ich merke, wie ich mich entspanne. Dieser faule Sonntag hat meinen Kindern nicht geschadet, im Gegenteil. Durch das planlose Sein, den Rückzug haben sie Dinge verarbeitet und ihr innerer Mensch hatte Gelegenheit, sich zu strecken. Plötzlich freue ich mich an diesem faulen Sonntag und nehme mir vor, mir regelmäßig selbst die Erlaubnis zu geben, zu ruhen – mangels Küchenbank auf dem Sofa.

Wie geht es dir im Spannungsfeld “Keine Zeit vergeuden / planloses Sein“?
Wie sieht für eure Familie eine gute Mischung aus?
Wie gehst du mit dem Trend zur Selbstoptimierung in allen Lebensbereichen um?

Alexandra Kämpf ist verheiratet mit Richard. Zusammen haben sie drei  Töchter im Alter von 10, 17 und 20 Jahren.

Sie arbeitet bei FAMILYLIFE und verantwortet dort die Ehe- und Elternkurse.