Zuhören ist eine Schlüsselqualifikation. In der Familie, im Beruf und in der Gesellschaft ist diese Kompetenz von großer Bedeutung. Wir erwarten, dass Andere gute Zuhörer sind. Stell dir vor, wie unsere Welt aussehen würde mit besseren Zuhörern und weniger Schwaflerinnen, Vielversprechern, Sprücheklopferinnen, Selbstdarstellern und Fakenews-Verbreitern!

Neulich am Esstisch unserer sechsköpfigen Familie: Mein Mann und ich versuchen gegenseitig zu erfassen, wie es dem Gegenüber geht. Derweil steigt der Geräuschpegel, weil gleichzeitig auch alle Kinder reden und niemand zuhört. Die siebenjährige Tochter versucht seit Minuten ihren Schulmorgen detailliert zusammenzufassen, fällt dabei jedoch dauernd aus dem Konzept, weil der älteste Bruder jeden zweiten Satz negativ kommentiert. Der zweitälteste lamentiert lautstark, dass er seine wichtige Mitteilung wegen der Schwester vergessen hat. In der jetzt entstandenen Redepause bemüht er sich sofort ein «Tischspiel» anzureißen. Nun meldet sich unser Jüngster und gibt vergnügt seine Zweiwortsätze zum Besten. Die Tochter fällt darauf vor Lachen fast vom Stuhl, was der Älteste wiederum doof findet. Just in dem Moment erinnert sich der Zweitälteste wieder an seine vergessene «wichtige Mitteilung»: In einem Buch hat er neulich über die Tiefe des Marianengrabens Folgendes gelesen …

Mein Mann und ich haben längst aufgegeben, ein «Gespräch unter Erwachsenen» zu führen. Stattdessen versuchen wir ein paar minimale Gesprächsregeln durchzusetzen – mit mittelmäßigem Erfolg.

Warum ist Zuhören schwieriger als Sprechen?

Wieder einmal staune ich über das Mitteilungsbedürfnis unserer Kinder und wie sie jede Gelegenheit nutzen, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Je weniger sie sich gegenseitig zuhören, umso lauter und vehementer wird ihr Tonfall. Erzählen ist aber nur schön, wenn man interessierte Zuhörer hat. Warum ist Zuhören schwieriger als Sprechen? Weil Zuhören eine dienende Fähigkeit ist. Wer spricht, kann entscheiden, was er sagen will. Der Zuhörer muss empfangen, was er zu hören bekommt. Von daher kann Sprechen eine Form der Machtausübung sein. Beim Sprechen hole ich mir Aufmerksamkeit und kann andere einfach und direkt beeinflussen. Echtes Zuhören hingegen signalisiert Interesse an der Gemeinschaft. Ich nehme mich zugunsten der anderen Person zurück, gebe ihr Raum und versuche zu verstehen und nachzuvollziehen, was sie sagt.

Interessanterweise zeigt sich Gott uns gegenüber als erstaunlich guter Zuhörer. Zumindest in meinem Leben muss er sich ganz schön viel anhören. Seinerseits spricht er hingegen oft mit wenigen, dafür umso prägnanteren Worten zu mir.

Alle unsere Kinder sollen am Esstisch ihren Anteil an Aufmerksamkeit bekommen, dabei wollen wir einander jedoch weder ins Wort fallen noch negativ kommentieren.

Zurück zu unserer Familiensituation: Wir können am Esstisch nicht auf jede einzelne Wortmeldung der Kinder eingehen. Wir achten darauf, welche Themen wir im Plenum besprechen und verschieben Einzelgespräche auf einen anderen Zeitpunkt des Tages. Alle unsere Kinder sollen am Esstisch ihren Anteil an Aufmerksamkeit bekommen, dabei wollen wir einander jedoch weder ins Wort fallen noch negativ kommentieren.

Natürlich klappt dies nicht immer wie gewünscht. Anstatt uns darüber aufzuregen, bleiben mein Mann und ich nach dem Essen noch ein Weilchen sitzen und genießen die nun entstandene Ruhe, wenn die Kinder den Tisch verlassen haben. Dann schätze ich es ganz besonders, wenn mein Mann mir in die Augen schaut und mir einfach nur zuhört…

Wie steht es mit eurer Zuhör- Familienkultur am Esstisch? Wie können deine Kinder das Zuhören lernen? Wann gelingt ihnen dies gut – wann weniger?

Gabriela Bucher ist verheiratet mit Jonathan und ist Mutter von den vier herrlichsten Kindern der Welt.

Sie hat 5 Jahre zu Hause unterrichtet und arbeitet aktuell als Klassenlehrerin an einer christlichen Privatschule. Sie setzt sich leidenschaftlich für eine gesunde Entwicklung von Kindern ein.