Meine Mama hat einmal die Polizei angelogen. Sie wollte damit jemanden schützen. Doch als die Polizei nachprüfen wollte, drohte die Lüge aufzufliegen. Ich war damals noch ein Kind und erinnere mich, dass ich meiner Mama angeboten habe, sie zu decken. Doch dann passierte etwas für mich Überraschendes: Meine Mama entschuldigte sich für die Lüge und legte ihr Vergehen offen. Dabei wusste sie: Das hat Konsequenzen. Das hat mich sehr beeindruckt. Ja, wenn ich heute an wichtige Lebenslektionen meiner Kindheit denke, dann immer auch an dieses Erlebnis. Ich habe gelernt, dass auf eine Lüge die nächste Lüge folgt und dass man diesen Kreislauf mit Ehrlichkeit und Schuldeingeständnis unterbrechen kann. Danke, Mama.

Heute merke ich selbst, wie schnell mir Lügen über die Lippen kommen. Ich schiebe einen Grund vor, um jemandem abzusagen. Wenn mich jemand nach meiner Meinung fragt, sage ich etwas Netteres, als ich wirklich denke, um die Person nicht zu verletzen. Das passiert mir auch als Mutter. Wenn mein Sohn etwas unbedingt haben will, sage ich ihm, dass es weg ist, obwohl das nicht stimmt. Ich beobachte auch oft, dass andere Eltern ihren Kindern Blödsinn erzählen und denken, sie würden es nicht merken. Manchmal sind diese Schwindeleien vielleicht sogar lustig, wie bei der Mutter, die angeblich nur das Wasser aus der Apfelschorle getrunken hat, weil das Kind lieber puren Apfelsaft wollte.

Nennt mich kleinkariert: Letztlich ist auch das eine Lüge. “Aber doch keine schlimme Lüge” könnte man sagen, oder: “Wenn dein Kind es nicht merkt, dann ist es doch ok.” “Solange du es aus guten Motiven tust…”

Lügen können wie Abkürzungen in der Erziehung sein. Sie ersparen lange Erklärungen oder gar Diskussionen. Sie geben uns die Möglichkeit, unser Kind schnell dazu zu bringen, das zu tun, was wir wollen. Doch Erziehungswissenschaftler warnen eindringlich davor, Kinder anzulügen. Hier drei Gründe dafür:

  1. Kinder, die oft angelogen werden, werden aggressiver, egoistischer, manipulativer und lügen öfter, so eine aktuelle Studie der Technischen Universität Singapur. Das liegt unter anderem daran, dass damit das Vertrauen zu den Eltern geschwächt wird. Darunter leidet die Eltern-Kind Beziehung.
  2. Wer lügt, schwächt die Instinkte des Kindes. Denn Kinder spüren oft sehr wohl, ob etwas gelogen ist!
  3. Wer lügt, um Konflikte oder schwierige Gefühle zu vermeiden, nimmt seinem Kind auch die Chance, mit diesen umzugehen. 

Aber das Wichtigste für mich ist, dass ich mir vorgenommen habe: Ich will der Lüge keinen Platz in meinem Leben geben. Ich will ehrlich zu den Menschen sein. Ich will liebevoll mit ihnen umgehen, ohne zu lügen. Und ich merke: Das ist gar nicht so einfach. Und doch weiß ich genau, dass ich auch in diesem Punkt ein Vorbild bin. Mein Sohn schaut sich von mir ab, wie ich mit Menschen umgehe. Und er schaut sich von mir auch ab, wann Lügen “okay” ist. 

Ich möchte kein Vorbild im Lügen sein. Und wenn mir doch mal wieder eine Lüge rausrutscht, dann bin ich lieber eine vorbildliche Entschuldigerin.

Und ich will ehrlich zu meinem Sohn sein. Auch wenn es anstrengender ist. Denn die Abkürzung, die man mit einer Lüge nimmt, ist vielleicht gar keine, sondern führt nur zur nächsten Lüge. Und vielleicht verpassen wir auf dieser Abkürzung auch etwas, das wir gemeinsam lernen könnten. Ich möchte kein Vorbild im Lügen sein. Und wenn mir doch mal wieder eine Lüge rausrutscht, dann bin ich lieber eine vorbildliche Entschuldigerin. 

Wie streng bist du, wenn es ums Lügen geht? Was machst du, wenn du dich beim Lügen ertappst? In welchem Punkt möchtest du dir heute bewusst werden, dass du ein Vorbild für dein Kind bist?

Elli Kegler arbeitet bei FAMILYLIFE Deutschland als Referentin, Mentorin und im Bereich Social Media.

Sie ist verheiratet mit David. Zusammen haben sie einen fast zweijährigen Sohn.