Kürzlich habe ich darüber nachgedacht, dass man als Eltern vieles falsch machen kann. Die Elternfallen lauern überall. Eine hat es mir besonders angetan und ich brauche meine ganze Aufmerksamkeit, um nicht immer wieder reinzutappen. Ich bin nämlich Spezialistin im «mir-Probleme-von-anderen-zu-eigen-machen». Die «anderen», das sind in diesem Fall meine Kinder.

Beispiele gefällig, wie ich innerhalb von sehr kurzer Zeit zu Problemen komme? Kein Problem: Ein Kind vergisst die Klaviernoten zu Hause, das andere lässt sein Mittagessen im Kühlschrank liegen. Beide melden sich per WhatsApp: «Oh, Mama, könntest du nicht…?» Nein, ich kann nicht und will nicht, aber schon haben sich die beiden Probleme in meinem Kopf eingenistet. Das dritte Kind verstreut seine Sachen im ganzen Haus und räumt sie am Abend trotz Aufforderung nicht mehr weg. Am nächsten Morgen löst meine Aufforderung, alles wegzuräumen, Stress und Geschimpfe aus: «Mama, jetzt komme ich wegen dir zu spät zur Schule!» Schwupps, ein neues Problem, das an mir klebt.

Oder: «Mama, wo finde ich noch Socken? Hat es noch Znünisachen? Ich brauche morgen 80 Franken für meine Biologiebücher!» (Mein Portemonnaie ist leer und der nächste Geldautomat befindet sich am Bahnhof). «Sind meine Fuβballsachen gewaschen? Mama, weiβt du wo mein Fahrradschlüssel ist?» In der Waschküche; keine Ahnung; mein Portemonnaie ist leer und der nächste Geldautomat am Bahnhof; schau bitte selbst nach; keine Ahnung usw.

Wie eine Maus tappe ich von einer Falle in die andere, kümmere mich um all die Probleme und Problemchen meiner Kinder und lasse zu, dass sich diese wie kleine Äffchen auf meiner Schulter festklammern und in meinem Inneren andocken. Das ist anstrengend, und es dauert dann nicht lange, bis ich gestresst bin. Dann kippt meine Reaktion von «Ich kümmere mich» zu «Hast du keine Augen im Kopf» oder «Bin ich hier das Dienstmädchen?». Beide Verhaltensweisen sind pädagogischer Unsinn. Was aber ist angemessen? Ich habe mir dazu grundlegende Gedanken machen müssen. Zuerst über meine Ziele für meine Kinder und wie ich diese erreiche, dann aber auch darüber, was genau bei mir abgeht, wenn ich Probleme wie ein Magnet anziehe und zu meinen eigenen mache.

Was wir sicher anstreben ist, dass unsere Kinder reif und mündig werden, damit sie später im Leben zurechtkommen.

Die meisten Menschen, die Eltern werden, machen sich Gedanken darüber, wie sie als Familie leben und was sie ihren Kindern mitgeben möchten. Auch wir haben uns damals Gedanken gemacht, andere Familien beobachtet und uns vorgenommen, einiges anders und vieles gleich wie unsere Eltern zu machen. Was wir sicher anstreben ist, dass unsere Kinder reif und mündig werden, damit sie später im Leben zurechtkommen. Ein sinnvolles Ziel, aber der Weg dahin kann beschwerlich sein. Eltern wie ich müssen lernen, dass genau die vielen kleinen und groβen Probleme dazu dienen, die Kinder schrittweise reifer und mündiger werden zu lassen.

Wir reden hier nicht über groβe Probleme, die ein Kind nicht allein lösen kann oder die ihm Schaden zufügen, wenn wir nicht helfend eingreifen. In den obigen Situationen kann ich den Kindern beibringen, dass sie in der Lage sind, viele Probleme selbst zu lösen. Es sind Lerngelegenheiten, auch wenn mir das Zuschauen und Stillhalten schwerfallen mag. Kinder können, wenn man es ihnen zutraut, Verantwortung für sich selbst übernehmen. Nicht von Anfang an, nicht von Null auf Hundert und jedes in seinem Tempo und auf seine Art. Meine Kinder haben den Tag ohne Klaviernoten und eingepacktes Mittagessen überlebt. Das dritte Kind hat die nächsten Abende seine Sachen weggeräumt.

Wenn ich das schaffe, spüre ich förmlich, wie die kleinen Äffchen von meiner Schulter purzeln.

Und ich? Ich bin immer noch dabei zu lernen, Liebe auszudrücken, indem ich ab und zu sage: «Nicht mein Problem.» Und lautlos hinzufüge: «Dein Leben gehört dir selbst, und du musst lernen, wie du damit umgehst, weil ein Tag kommt, an dem du mich nicht mehr haben wirst.»* Wenn ich das schaffe, spüre ich förmlich, wie die kleinen Äffchen von meiner Schulter purzeln.

Kennst du diese Elternfalle auch? Wie gehst du damit um?
Wer wie ich dazu neigt, in diese Falle zu tappen, tut gut daran, die eigene Motivation zu hinterfragen: Was treibt mich an? Was habe ich davon, mich so zu verhalten? Z. B. „Mein Verhalten gibt mir Wert“, «Ich brauch’s, dass man mich braucht»? Was ist dein subjektiver Gewinn?
Überlege anhand einer Situation, die du kürzlich erlebt hast, ob und was du anders machen könntest.

* Danny Silk in «Erziehung und Liebe mit Vision»: Das Lesen dieses Buches hat mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen – vielleicht gerade wegen der vielen unvermittelten und fast schockierenden Aussagen, die ich im ersten Moment als lieblos empfand. Und die mir halfen, einiges am Elternsein besser zu verstehen.

Alexandra Kämpf ist verheiratet mit Richard. Zusammen haben sie drei  Töchter im Alter von 8 bis 18 Jahren. 

Sie arbeitet bei FAMILYLIFE und verantwortet dort die Ehe- und Elternkurse.