Manches ändert sich, wenn die Kinder älter werden. Sie werden selbstständiger und organisieren ihren Alltag selbst. Sie putzen ihr Zimmer eigenhändig, bügeln ihre Wäsche und kochen auch mal selbst, wenn die Vorräte in der Tiefkühltruhe aufgebraucht sind. 

Mein wichtigstes Learning aber ist, dass meine stille Gegenwart ausreicht.

Und manches ändert sich und bleibt doch irgendwie gleich. Kinder wissen genau, wann und wie sie unsere Aufmerksamkeit erlangen können. Meine Kinder haben ein unglaubliches Sensorium dafür entwickelt, mich aufzuspüren, wenn ich an einem Ort quasi festgenagelt bin. Wenn ich koche, dauert es keine zwei Minuten, bis mir ein Kind Gesellschaft leistet. Dasselbe beim Bügeln, beim Unkraut jäten im Garten oder beim Putzen. Beim Kloputzen habe ich mir schon ganze Biologielektionen erzählen lassen und weiß deshalb bestens Bescheid über alles, was mit Pantoffeltierchen zu tun hat. Seit kurzem kann ich auch über solarbetriebene Boote Auskunft geben. Mein wichtigstes Learning aber ist, dass meine stille Gegenwart ausreicht.

So spannend diese kostenlosen Fortbildungen in diversen Fachgebieten sind, so mühsam ist es mitunter, wenn die Kinder Dampf ablassen wollen. Richtig anstrengend wird es, wenn alle drei gleichzeitig ihren Frust kommunizieren und sich dabei noch gegenseitig in die Haare geraten. 

Vor drei Wochen war es wieder so weit. Ich feierte mitten in der Woche mit Freundinnen meinen 50. Geburtstag. Meine Familie hatte sich vorher mächtig ins Zeug gelegt. Jedes Mal, wenn ich einen Raum betrat, verstummten Mann und Kinder; ich hatte im halben Haus Hausverbot und das Handy meines Mannes war tabu. Auch am Fest selbst waren sie mit vollem Einsatz dabei. 

Dann kam das Wochenende. In Erwartung zweier gemütlicher Tage saßen mein Mann und ich am Samstagmorgen müde, aber entspannt beim Frühstück, als die Kinder nach und nach zu uns stießen. Diese waren eindeutig auch müde, aber auf keinen Fall entspannt. Passend zum launischen Vor-Aprilwetter draußen prasselten unzählige Frust-Erlebnisse der letzten Woche auf uns Eltern ein; beim Kochen und Essen, beim Abwasch und beim Versuch, den Tag mit einem Ligretto-Spiel zu entspannen. 

Wir waren auch in diesem Fall Gefühlscontainer (vgl. Ein Container voller Gefühle), der auf meiner Seite am Ende des Wochenendes kurz vor dem Überlaufen war. Gefragt waren nämlich weder das Spiegeln des Gehörten noch andere Reaktionen unsererseits. Regelmäßiger Blickkontakt mit meinem Mann und zwei kurze Auszeiten im Wald bewahrten mich an diesen beiden Tagen vor dem Überlaufen. Aber unsere elterlichen Bedürfnisse blieben an diesem Wochenende auf der Strecke.

Eltern müssen nicht immer aktiv werden. Sie müssen aber bereit sein, Kinder, die ein herausforderndes Verhalten zeigen, aktiv auszuhalten.

Am Sonntagabend saß ich alleine mit meinem Bedürfnis nach Harmonie und guten Gesprächen – und einer sehr kritischen inneren  Stimme – auf dem Sofa. Hatte das wirklich sein müssen? Hätten wir nicht etwas tun können, um die Stimmung zu verbessern? Hätten wir – haben wir aber nicht. Nicht jeder Tag hat ein Happy End. Und wir müssen weder einen Sturm gewaltsam unterdrücken noch immer etwas tun.

In der darauffolgenden Woche herrschte bei uns eine – friedliche – Stille nach dem Sturm. Die Kinder gingen ausgeschlafen und gut gelaunt ihren Beschäftigungen nach und beteiligten sich widerstandslos an der täglichen Hausarbeit.  

Eltern müssen nicht immer aktiv werden. Sie müssen aber bereit sein, Kinder, die ein herausforderndes Verhalten zeigen, aktiv auszuhalten.

Wie gehst du damit um, wenn die Kinder bei dir ihren Frust loswerden wollen? Fällt es dir leicht, einfach mal zuzuhören und auszuhalten? 
In welcher Situation, die du kürzlich erlebt hast, war eine Reaktion deinerseits angebracht? Wo hat sich das aktive Aushalten bewährt?

Alexandra Kämpf ist verheiratet mit Richard. Zusammen haben sie drei  Töchter im Alter von 10, 18 und 21 Jahren.

Sie arbeitet bei FAMILYLIFE und verantwortet dort den Elternbereich.