Herr und Frau Flückiger verbindet eine innige Beziehung. Sie haben jung geheiratet und sind nicht nur Ehepartner, sondern auch beste Freunde. Sie verbringen gerne ihre Freizeit zusammen und haben einen großen gemeinsamen Freundeskreis.

Dennoch hat sich bei den Flückigers in den letzten Jahren eine gewisse Unzufriedenheit mit ihrer Partnerschaft breit gemacht. Frau Flückiger beklagt immer öfter die Eintönigkeit ihres Ehealltags. Sie vermisst das Neue, das Überraschende in ihrer Beziehung. Und Herr Flückiger empfindet seine Ehe zunehmend als anstrengend. Sie entzieht ihm Energie. Kürzlich hat er einem Freund anvertraut, dass er sich zu Hause wie ein Sportwagen fühlt, dessen Motor auf 80 km/h gedrosselt ist.

Eine Partnerschaft wie die von Herrn und Frau Flückiger nenne ich eine Bierdeckelallianz. Sie sind wie zwei Bierdeckel, die sich aneinander lehnen. Sie stützen sich gegenseitig und können dank dem anderen stehen. Sie brauchen einander, denn gemeinsam schaffen sie, was jeder für sich nicht schafft.

Zwei aneinander gelehnte Bierdeckel sind aber auch voneinander abhängig. Keiner darf sich zu fest bewegen, verändern oder gar wachsen, sonst könnte das Ganze einstürzen.

Das erlebt auch das Ehepaar Flückiger. Weil beide nicht alleine durchs Leben gehen können, klammern sie sich aneinander und suchen die Verschmelzung. Das führt dazu, dass sich ihr Leben zunehmend auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner abspielt. In der Freizeit machen sie nur noch das, worauf beide Lust haben. Lebensbereiche und Themen, zu denen sie unterschiedliche Ansichten haben, verdrängen sie aus ihrem Alltag.

Der Preis dafür, ein Herz und eine Seele zu sein, ist, dass beide alle Eigenschaften und Interessen gekappt haben, die nicht mit denen des Partners übereinstimmen. Eine solche Beziehung ist eine falsch verstandene Art von Einssein. Sie führt zu den Symptomen, unter denen die Flückigers heute leiden: Langeweile, Stagnation, Leblosigkeit und Verkümmerung.

Ein gesundes Einssein ist keine Bierdeckelallianz, sondern lässt sich mit dem Bild zweier starker Bäume beschreiben, deren Kronen sich zu einem gemeinsamen Blätterdach verbinden. Es ist die volle Nähe zweier Menschen, die beide auch unabhängig voneinander im Leben stehen könnten. Es ist eine Nähe, die dem anderen Freiheit, Entwicklung und Veränderung zugesteht, weil dies für den fest verwurzelten und selbst stehenden Baum nicht bedrohlich ist. Der Weg zu mehr Lebendigkeit in der Partnerschaft besteht darin, in enger Verbindung mit dem Partner und trotzdem ganz sich selbst zu bleiben.

Wenn die Flückigers wieder mehr Lebendigkeit in ihre Beziehung bringen wollen, führt kein Weg daran vorbei, sich die eigene Individualität in kleinen Schritten zurückzuerobern. Dazu gehören zwei Seiten. Zum einen, sich zu trauen, den Partner nicht ständig zu schonen, sondern zu seinen Bedürfnissen zu stehen und sich selbst in seiner Andersartigkeit dem Partner zuzumuten. Und andererseits dem anderen eine eigene Meinung, andere Bedürfnisse und eine Entwicklung zuzugestehen, auch wenn sich das bedrohlich anfühlt.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:

Hat eure Beziehung die Tendenz, zu einer Bierdeckelallianz zu werden?