Stefan hat einen schlechten Tag. Auf der Arbeit lief vieles nicht wie gewünscht und er ist mit einem wichtigen Projekt im Verzug. Seiner Frau Jennifer erging es auch nicht besser. Sie fuhr ihre Mutter zur Kontrolluntersuchung ins Krankenhaus und die Ergebnisse waren niederschmetternd. Die Nachricht der Lehrerin, dass ihr jugendlicher Sohn wieder nicht zum Unterricht erschienen sei, hat sein Übriges dazugetan.

Als sich die beiden am Abend sehen, kommt es zum Streit. Das ist wenig überraschend, denn beide sind gestresst und haben deshalb nicht mehr die Kapazität, sich gegenseitig so zu unterstützen, wie sie es nötig hätten.

Stress ist einer der größten Beziehungskiller. Wir können noch so einfühlsame Kommunikatorinnen, hilfsbereite Unterstützer, fähige Konfliktlöserinnen und leidenschaftliche Liebhaber sein – wenn wir gestresst sind, sind all diese Fähigkeiten wie weggeblasen.

Das liegt daran, dass wir all das in einem entspannten Zustand eingeübt haben. Wenn wir gestresst sind, befinden wir uns in einem anderen Modus, in dem wir nur noch sehr eingeschränkt Zugriff auf unsere normalen Beziehungskompetenzen haben.

Besonders kritisch sind Phasen rund um einschneidende Ereignisse wie Arbeitslosigkeit, die Geburt von Kindern, Wohnortswechsel oder eine schwere Krankheit. Aber auch im normalen Alltag sind wir herausgefordert, als Paar gemeinsam den Stress zu verdauen, den wir nicht schon als Individuen für uns abzubauen vermochten.

Jennifer und Stefan haben begonnen, einander am Abend zu fragen, wie viel Liebeskapazität sie noch haben. Wie freundlich und einfühlsam kannst du sein? Wie viel erträgst du noch von den Kindern? Magst du dir meine Probleme anhören und auf mich eingehen? Und den Haushalt auch gerade noch schmeißen?

100 ist dabei die maximal mögliche Kapazität. 100 bedeutet also, dass man überhaupt nicht gestresst ist und genug Liebesfähigkeit hat, um im Alleingang dafür zu sorgen, dass man sich als Paar nahe bleibt und sich nicht verletzt. Sind beide bei 50, können sie gleich viel dazu beitragen, gemeinsam die Partnerschaft und den Alltag zu meistern. Wenn Stefan bei 40 und Jennifer bei 80 ist, ist sie es, welche die beiden in dieser Phase mehrheitlich trägt.

Wenn sie ihre beiden Kapazitäten zusammenzählen und auf weniger als 100 kommen, ergreifen sie Maßnahmen, um ihren Stress zu reduzieren. Statt dass sie selbst kochen, bestellen sie eine Pizza. Oder sie nehmen sich beide zuerst eine halbe Stunde Zeit für sich, um herunterzufahren. Meistens hilft das schon. Wenn die stressige Situation aber mehrere Tage anhält, fackeln sie nicht lange, sondern planen schnell zusätzliche Paarabende ein, sagen Termine ab und organisieren Kinderhüten.

Die Frage nach der Liebeskapazität wirkt Wunder. So verkleinern Jennifer und Stefan die Wahrscheinlichkeit deutlich, dass sie sich gegenseitig zerfleischen, nur weil sie beide gestresst sind.

 

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