„Wir verbringen viel zu wenig Zeit zusammen. Gestern Abend warst du im Training, morgen triffst du dich mit deinen Freunden und dann hast du am Freitagabend auch noch diese Sitzung. Wenn ich auch so viel Abendprogramm hätte wie du, würden wir uns gar nie mehr sehen.“

„Stell dich nicht so an“, antwortet er, „so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Es bringt auch nichts, wenn wir ständig aufeinander hocken. Wenn es nach dir ginge, hätten wir gar keinen Kontakt zu anderen Menschen mehr.“

„Und so haben wir bald keinen Kontakt zueinander mehr.“ – Dann sagen sie nichts mehr und starren ins Leere.

Er findet, seine Frau werde je länger je mehr besitzergreifend und einengend. Sie dagegen ist überzeugt, dass ihre Beziehung schon lange zerbrochen wäre, wenn sie nicht für gemeinsame Zeiten kämpfen würde.

Und so sind sie wie zwei sture Esel, die mit einem Seil verbunden sind, aber in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Er ist der Freiheitsesel, sie die Verbundenheitseselin. Sie sind unversöhnlich gefangen in ihren gegensätzlichen Rollen, beide sind in der Opposition.

Dieses Oppositionsverhalten ist in Beziehungen verbreitet. Sie als Geldsparer, er als Verschwender. Er lustlos, sie könnte täglich Sex haben. Sie dauernd besorgt, er betont zuversichtlich.

Diese Extrempositionen werden eingenommen, um der Position des Gegenübers etwas entgegenzusetzen zu haben. Eigentlich hätten beide Partner keine so extreme Einstellung, aber sie sind gefangen in einer Spirale der Radikalisierung. Je mehr er darauf drängt, Zeit getrennt zu verbringen, desto nachdrücklicher muss sie sich für gemeinsame Zeit einsetzen. Das führt dann wiederum dazu, dass er noch stärker Zeit ohne sie einfordert. Und so geht es immer weiter, bis man schlussendlich komplett entgegengesetzte Positionen eingenommen hat.

Doch das müsste nicht sein. Diese Radikalisierung kann unterbrochen werden, wenn er ihr sagt, dass er auch gerne Zeit zusammen verbringt. Und wenn sie ihm eingesteht, dass sie auch dafür ist, nicht jeden Abend zusammen zu sein. Im Idealfall bedankt er sich sogar bei ihr, dass sie sich so für den Schutz ihrer Paarzeiten einsetzt. Und sie sich bei ihm, dass er ihre Individualität hochhält.

Dann werden sie feststellen, dass ihre eigentlichen Positionen gar nicht so weit auseinanderliegen und dass es schlussendlich lediglich darum geht, dass er drei Abende pro Woche getrennt verbringen möchte und sie nur zwei.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:
Bei welchem Thema seid ihr in der Radikalisierungsspirale gefangen?