„Irgendwie würde ich mir, äh, vielleicht schon ein bisschen mehr Verbundenheit wünschen. Hm, aber irgendwie auch nicht. Jedenfalls nicht so, dass ich dann nichts mehr allein entscheiden oder machen kann.“

So oder ähnlich klingt es fast immer, wenn wir im Rahmen eines Coachings ein Paar fragen, ob sie zufrieden mit dem Grad der Verbundenheit in ihrer Beziehung seien. Die Frage ist schwieriger als es scheint und viele geraten beim Beantworten etwas ins Straucheln.

Die Antworten zeigen, dass sich die meisten sowohl mehr Verbundenheit als auch mehr Freiheit wünschen. Und dass sie davon ausgehen, dass es in einer Partnerschaft entweder das eine oder das andere gibt, aber sicher nicht beides gleichzeitig. Man kann entweder eng miteinander verbunden oder frei sein. Je stärker man mit der Partnerin verbunden ist, desto weniger frei ist man. Ich glaube nicht, dass das stimmt.

Wir alle kennen Paare, die sehr darauf bedacht sind, möglichst alles zusammen zu machen. Sie verbringen nicht nur viel Zeit miteinander, sondern entwickeln auch die gleichen Interessen und haben den gleichen Freundeskreis. Neues zu entdecken, etwas dazuzulernen oder sich zu verändern funktioniert in einer solchen Beziehung nur, wenn beide gleichzeitig diesen Entwicklungsschritt machen. Die Freiheit ist in einer solchen Partnerschaft sicher nicht besonders groß.

Aber auch die Verbundenheit – und das ist vielleicht überraschend – ist nicht sehr hoch. Denn wenn sich die beiden wirklich verbunden fühlen würden, dann müssten sie ihre Partnerschaft nicht dadurch schützen, dass sie sich wie zwei Kletten aneinanderklammern. Dann wäre es auch nicht bedrohlich, wenn sie unterschiedliche Hobbys hätten oder sich mit anderen Menschen treffen würden. Eine starke Verbindung würde nicht gleich ins Wanken geraten, wenn einer der beiden sich verändert oder neue Interessen entdeckt.

Entgegen unserer Intuition würde für viele Paare mehr Verbundenheit auch zu mehr Freiheit in ihrer Beziehung führen. Denn echte Liebe und Verbundenheit führt zu Freiheit und nicht zu besitzergreifender Kontrolle. Eindrücklich zeigt sich das im von Jesus erzählten Gleichnis vom verlorenen Sohn (Lukas 15,11–32). Der Vater liebt seinen Sohn so sehr, dass er ihm Freiheit gewährt und ihn ziehen lässt. Wäre die Liebe des Vaters weniger ausgeprägt oder die Verbindung zu seinem Sohn unsicherer gewesen, hätte er ihm sicher keinen Erbvorbezug gegeben, sondern versucht, ihn mit allen Mitteln bei sich zu halten.

„Die Liebe ist die einzige Art der Begegnung von Menschen, die beides ermöglicht: engste Verbundenheit und gleichzeitig größtmögliche Autonomie und Freiheit.“ So hat es der bekannte Neurobiologe Gerald Hüther formuliert. Es ist eines der wundervollen Geheimnisse der Liebe.

 

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