Kürzlich war ich an einem Geburtstagsfest. Es gab Apérohäppchen, nette Gespräche, Loungemusik und wie immer bei solchen Anlässen die Möglichkeit, neue Leute kennenzulernen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Da ich fast niemanden kannte, lernte ich an diesem Abend viele Leute kennen. Die meisten Unterhaltungen kamen nicht über ein bisschen Small Talk hinaus, doch es gab auch richtig tiefe Gespräche über die eigene Geschichte, über Glauben, Ängste und Hoffnungen.

Ich habe noch einige Male über diesen Abend und die so unterschiedlichen Gesprächsverläufe nachgedacht. Dabei ist mir bewusst geworden, dass es eine ganz bestimmte Fähigkeit gibt, die jemanden zu einem angenehmen Gesprächspartner macht. Es ist die gleiche Fähigkeit, die auch in einer Paarbeziehung entscheidend ist. Ich würde sie sogar als wichtigste Fähigkeit in zwischenmenschlichen Beziehungen bezeichnen. Sie lässt sich am besten mit drei englischen Wörtern beschreiben: „shelve your agenda“.

Wörtlich übersetzt bedeutet „shelve your agenda“ in etwa „seine Gesprächspunkte ins Regal stellen“. Es bedeutet, dass man seine persönlichen Pläne, Ziele oder Interessen vorübergehend zurückstellt, um Platz für die Bedürfnisse, Interessen oder Prioritäten anderer Menschen zu machen.

Der Normalfall ist doch, dass wir beim Zuhören nur noch mit einem Ohr beim anderen sind, während wir innerlich schon eine Antwort darauf vorbereiten. Oder wir suchen nach Situationen, in denen wir etwas Ähnliches erlebt haben, um es sofort zu erzählen, sobald unsere Gesprächspartnerin kurz Luft holt. Oder wir bewerten das Gesagte in Gedanken und ordnen es in unser eigenes Raster ein, anstatt einfach zuzuhören und uns ganz auf das Bild einzulassen, das uns unser Gegenüber aus seiner Perspektive zeichnen möchte.

All diese Verhaltensweisen sind Ausdruck unserer eigenen „Agenda“, bei der es vorwiegend um uns selbst geht. Um unsere Überlegenheit, unsere Anerkennung, unsere Weltsicht und unseren Geltungsdrang.

Es fällt uns schwer, diese Verhaltensweisen bei uns selbst zu erkennen. Doch wir alle kennen den Extremfall. Wir kennen mindestens eine Person, bei der es eigentlich egal ist, was ihr Gesprächspartner sagt. Sie spult sowieso ihr Programm herunter und erzählt ihre Geschichte im Alleingang und ohne Einfluss des Gegenübers. Ein Satz des anderen dient ihr nur dazu, sich in ihrer Sicht bestätigt zu fühlen und fortzufahren. Sie könnte genauso gut mit einem Stein reden, solange er nur ab zu anerkennend nicken würde. Solche Menschen wollen vor allem eines: gehört werden. Leider vergessen sie dabei, dass sie erst dann wirklich gehört werden, wenn sie selbst bereit sind, wirklich zuzuhören.

Den eigenen Gedanken einen temporären Maulkorb zu verpassen und uns ganz auf unsere Gesprächspartnerin einzulassen, braucht Übung. Ich glaube sogar, dass es eine lebenslange Reise ist. Doch nur so kann eine echte Begegnung zwischen zwei Menschen stattfinden. Gute Beziehungen entstehen dort, wo es uns gelingt, unsere eigenen Ziele vorübergehend zurückzustellen. Es lohnt sich, diese Fähigkeit zu trainieren. Es lohnt sich für das Geburtstagsfest genauso wie für den Beruf, für die Beziehung zu den Nachbarn und für die Beziehung zu Gott. Und natürlich ganz besonders für die Partnerschaft.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:

Wie steht es um deine Fähigkeit, in einem Gespräch deine eigenen Interessen zurückzustellen und ganz beim Gegenüber zu sein?