Ramona hat ihren Nico von Anfang an angehimmelt. Sie findet ihn nicht nur äußerst gutaussehend, sondern auch außergewöhnlich intelligent und erfolgreich. Was er anpackt, gelingt. Nicht viele Frauen können von sich behaupten, einen solchen Hauptpreis als Mann zu haben.

Nico weiß zu schätzen, dass Ramona sein wahres Potenzial erkennt und in ihm den Mann sieht, den er eigentlich ist. Er genießt ihre Komplimente und dass sie ihn nicht dauernd infrage stellt.

Eine Zeit lang hat dieses Zusammenspiel ganz gut funktioniert. Nico wurde bewundert und idealisiert, dafür durfte sich Ramona im Glanz ihres grandiosen Mannes sonnen. Doch nun kommen Ramona immer mehr Zweifel an ihrer Beziehung. Sie merkt, dass auch ihr Mann Schwächen hat. Doch es scheint kein Zurück mehr zu geben, denn sobald sie ihren Mann etwas weniger in den Himmel lobt, fordert dieser genau das ein.

Der Zürcher Paarforscher Jürg Willi hat für solche Paarkonstellationen den Begriff der Kollusion geprägt. Bei einer Kollusion passen die Schwächen der beiden Partner perfekt zusammen – wie ein Schlüssel zum Schloss. Die beiden wählen für ihr gleiches Grundproblem gegensätzliche Bewältigungsstrategien, die sich anfänglich gut ergänzen, mit der Zeit aber zu immer mehr Verstrickungen und Unfreiheit führen.

Nico und Ramona haben beide einen niedrigen Selbstwert. Ramona löst diesen inneren Konflikt, indem sie sich eine Welt konstruiert, in der sie von einem makellosen, unglaublich begehrenswerten Mann geliebt wird. Das gibt ihr Wert. Nico löst das gleiche Problem mit Narzissmus. Er will bewundert und gelobt werden und delegiert diese Aufgabe sogleich an Ramona. Ein perfektes Zusammenspiel und ein typisches Beispiel einer narzisstischen Kollusion.

Natürlich ist dieses Beispiel überzeichnet. Doch machen wir uns nichts vor: Jede Partnerschaft ist kollusionsgefährdet. Vielleicht ist es nicht die narzisstische Kollusion, sondern die Helfer-Kollusion mit einer Helferin und einem Hilfsbedürftigen. Oder die Nähe-Distanz-Kollusion, bei der die Partner ihren Grundkonflikt zwischen Verbundenheit und Autonomie mit Klammern respektive Rückzug zu bewältigen versuchen. Oder die ödipale Kollusion, bei der jemand in die Erwachsenen- und jemand in die Kinderrolle rutscht.

Es ist absolut unproblematisch, wenn phasenweise die eine Person der anderen etwas mehr hilft oder die eine Person mehr Nähe sucht als die andere. Schwierig wird es, wenn die Rollen nicht mehr getauscht werden können und sich gegenseitig verstärken. Die beiden Partner sind dann immer mehr gefangen in ihren festgefahrenen Rollen. Beide haben Angst davor, dass sich der Partner entwickeln könnte und dann plötzlich nicht mehr auf einen angewiesen sein würde. Ein Entwicklungsschritt des Gegenübers würde das ganze Beziehungsgefüge ins Wanken bringen. Deshalb verharren Paare oft sehr lange in diesen Konstellationen.

Kollusionen vernebeln unseren Blick für die persönlichen Wachstumsschritte, die anstehen würden. Statt den eigenen Selbstwert mit Gottes Hilfe anzugehen, beklagt sich Ramona über ihren narzisstischen Mann. Doch genau diese persönlichen Wachstumsschritte sind der einzige nachhaltige Weg aus diesen destruktiven Beziehungsdynamiken heraus. Wenn es Ramona gelingt, sich zu bewegen, wird das auch für Nico zu einem sogenannten Entwicklungsdruck führen. Wenn er nachzieht, können sie Schritt für Schritt aus dieser Verstrickung herausfinden.

 

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