Fabians Lehrerin ruft an. Er hat in der Pause einen Mitschüler verprügelt. Nicht zum ersten Mal. Für Fabians Mutter Sophia ist das eine schwierige Situation. Sie fragt sich, was sie als Eltern falsch gemacht haben. Und wie sie ihrem Sohn klarmachen sollen, dass sein Verhalten inakzeptabel ist. Aber auch Fragen wie „Was denken die anderen Eltern jetzt über uns?“ oder „Wird Fabian jetzt von den anderen Kindern gemieden?“ kreisen in ihrem Kopf, ohne dass sie gute Antworten darauf findet.

Auch Sophias Mann Lucas hat einen schlechten Tag. Sein Vorgesetzter hat sich nach der Präsentation seines neuen Projekts sehr kritisch geäußert. Kein Wort der Anerkennung für sein besonderes Engagement. Da er die Komplexität des Problems nicht erkannt hat, kritisiert er Lucas vor versammeltem Team und fordert ihn auf, in einer Woche wieder mit besseren Lösungsvorschlägen zu kommen.

Als Sophia und Lucas nun am Abend aufeinandertreffen, sind sie beide gestresst. Auch wenn der Stress nicht in der Partnerschaft entstanden ist, sondern von außen kommt (sogenannter extradyadischer Stress), wirkt er sich nachweislich negativ auf die Partnerschaft aus. Stress wird deshalb auch als Beziehungskiller bezeichnet.

Die meisten Menschen reagieren auf Stress auf eine von zwei Arten: Sie ziehen sich zurück und verschließen sich, oder sie werden besonders dünnhäutig und reizbar. Beides ist nicht gerade beziehungsfördernd.

Eine vertrauensvolle Partnerschaft ist eine wichtige Ressource für den Umgang mit persönlichem Stress. Denn hier bietet sich die Möglichkeit, Stress abzubauen. Doch leider gelingt dies viel zu selten. Meist liegt es daran, dass der Zuhörer schlecht reagiert, wenn der Partner von seinem Stress erzählt. Die beiden häufigsten schlechten Reaktionen sind Verharmlosung und Ratschläge geben.

Lucas verharmlost Sophias Stress und nimmt sie in ihrer Sorge um ihren Sohn nicht ernst. Er sagt: „Ich rede mit ihm, dann hört er schon auf. Das ist in dem Alter ganz normal. Lass dir deswegen nicht die Laune verderben. Wir können doch jetzt trotzdem einen schönen Abend zusammen haben.“

Und Sophia ihrerseits gibt Lucas Ratschläge: „Du wirst nächste Woche sicher eine gute Antwort auf seine Kritik geben. Du musst seine möglichen Einwände vorwegnehmen, dann wird er nichts mehr auszusetzen haben. Wenn du willst, kannst du morgen auch länger arbeiten, ich kümmere mich um die Kinder.“

Es hilft Sophia nicht, wenn sie zu verstehen bekommt, dass ihre Sorgen übertrieben sind und das alles nicht so schlimm ist, wie sie denkt. Und Lucas geht es gar nicht darum, gute Argumente für seine nächste Präsentation zu finden, sondern darum, dass er sich ungerecht behandelt fühlt und es ihn traurig macht, dass seine Arbeit nicht wertgeschätzt wird. So können sie beide ihren Stress nicht abbauen.

Das Problem ist, dass sich sowohl Verharmlosung als auch Ratschläge auf das Erlebnis selbst beziehen und nicht auf das, was das Erlebnis bei ihnen auslöst. Verharmlosung und Ratschläge versuchen etwas zu lösen, was gar nicht das Problem ist.

 

NEXT LEVEL FÃœR MEINE BEZIEHUNG:

Hast du eher die Tendenz zur Verharmlosung oder zur Erteilung von Ratschlägen?

 

Wie man besser auf den gestressten Partner reagieren kann, erfährst du im zweiten Beitrag dieser Miniserie zum Thema Stress. Der dritte Teil dreht sich dann um das Thema „Spirituelle Stressbewältigung“.